Schrei der Nachtigall
gehen.«
»Das heißt also, dass ich Sie auch noch in zwei oder drei Stunden anrufen darf, sollte sich etwas ganz Besonderes ergeben?«, fragte er grinsend.
»Sie dürfen, allerdings nur, wenn Sie mir auch den Mörder präsentieren können.«
»Wer immer Wrotzeck in den Tod geschickt hat, er hat der kleinen Welt von Bruchköbel ganz sicher einen großen Gefallen erwiesen. Gute Nacht.«
Er drückte auf Aus, steckte das Handy in seine Jackentasche, startete den Motor und wollte bereits losfahren, als es klingelte. Andrea.
»Hallo, mein Schatz, wie geht es dir?«, sagte sie in einem Ton, der Brandt aufhorchen ließ.
»Gestresst, aber ansonsten ganz gut. Was ist los?«
»Ich hab dich eben schon zu erreichen versucht, aber …«
»Ich hatte deine liebe Freundin an der Strippe …«
»Aha. Es geht um Sarah. Sie hat mich vor ein paar Minuten angerufen, es geht ihr wohl ziemlich schlecht. Ich fahr gleich hin und hol sie ab. Ich wollte dir nur Bescheid geben … Daddy.«
»He, nicht so hastig. Wieso geht’s ihr schlecht? Ist sie krank?«
»Weiß nicht, aber ich werde es gleich wissen. Komm bald nach Hause, könnte sein, dass wir dich brauchen, sie hat sich nämlich nicht besonders gut angehört.«
»Bin schon auf dem Weg.«
Er hatte eigentlich noch einen Besuch vorgehabt, auchwenn es schon sehr spät war, denn er war sicher, der Lösung ganz nahe zu sein. Aber vielleicht ist es ganz gut, wenn ich morgen erst noch mit Allegra spreche, sofern sie überhaupt ansprechbar ist.
Um dreiundzwanzig Uhr, mit Beginn der Nachrichten, traf er in Offenbach ein. Andreas Auto stand vor der Tür, in seiner Wohnung brannte Licht. Er war gespannt und besorgt zugleich, als er die Treppe hinauflief.
Andrea und Sarah saßen auf dem Sofa, Sarahs Gesicht war tränenverschmiert. Andrea machte eine leichte Handbewegung, mit der sie Brandt signalisierte, nicht gleich auf seine Tochter einzureden. Er legte seine Jacke ab und setzte sich in den Sessel. Sarah sah nicht gut aus, und immer wieder warf sie ängstliche Blicke zu ihrem Vater.
Samstag, 22.00 Uhr
Matteo Caffarelli klopfte an die Tür von Lucas Zimmer und trat ein, als er keine Antwort erhielt. Luca lag im Dunkeln auf seinem Bett, die Arme hinter dem Kopf verschränkt. Er hatte Kopfhörer auf und sah sich einen Film auf DVD an. Er nahm die Kopfhörer ab, als er seinen Vater bemerkte.
»Luca, könntest du bitte ins Wohnzimmer kommen, ich hätte etwas mit dir zu besprechen.«
»Geht das nicht auch hier?«, fragte er leicht ungehalten.
»Nein, ich möchte es im Beisein deiner Mutter tun. Kommst du?«
»Wenn’s sein muss«, erwiderte Luca, drückte auf Pause und stand auf.
Im Wohnzimmer saß Anna Caffarelli, ihre sonstige Lockerheit war einer sichtlichen Angespanntheit gewichen. Sie fürchtete sich ein wenig vor den folgenden Minuten, in denen Luca etwas erfahren würde, was ihn womöglich zutiefst schockieren und natürlich auch verletzen würde.
»Was ist denn los?«, fragte er und ließ sich in einen Sessel fallen.
»Luca«, sagte Matteo und setzte sich ebenfalls, »ich will nicht viele Worte machen. Du hast eben Kommissar Brandt gesehen, er war hier und hat wieder ein paar Fragen gestellt, die ich ihm natürlich beantworten musste. Unter anderem hat er mich wegen Allegra befragt. Und du weißt, ich kann nicht lügen, ich habe dich nie angelogen und auch deine Mutter nicht.«
»Jetzt mach’s doch nicht so spannend«, sagte Luca mit hochgezogenen Brauen. »Was ist mit Allegra?«
»Du magst sie sehr, nicht?« Anna sah ihren Sohn an und hätte ihn am liebsten gleich in den Arm genommen.
»Schon.«
»Ach komm, dein Vater und ich wissen doch, wie sehr du sie magst. Aber du und sie, ihr werdet nie zusammen sein können …«
»Wer hat denn behauptet, dass ich das will?«, sagte er. »Natürlich mag ich Allegra, aber nicht so, wie ihr vielleicht denkt«, schwindelte er und vermied es, seinen Vater oder seine Mutter anzusehen.
»Luca, du hast für sie geschwärmt, seit du zwölf oder dreizehn bist. Matteo, sag du jetzt bitte auch was.«
Matteo fuhr sich mit der Hand über die Stirn. »Luca, es könnte sein, dass du mich jetzt für das hasst, was du gleich erfährst, aber du bist mein Sohn und hast ein Recht auf die Wahrheit.« Er machte eine Pause und fuhr fort: »Allegra ist deine Halbschwester. Ich bin ihr leiblicher Vater.«
Luca sah seinen Vater lange an, in seinen Augen war Ungläubigkeit. »Was? Wieso bist du ihr Vater? Ich versteh das nicht.«
»Das ist eine
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