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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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Stirn. »Jenny, ich muß Sie leider warnen. Erich neigt immer noch dazu, an seinem Geburtstag Depressionen zu bekommen.«

    »Ich weiß«, sagte sie. Sie blickte zu ihm hoch und wurde sich seiner Größe bewußt. »Mark, das ist fünfundzwanzig Jahre her. Wird es nicht langsam Zeit, daß er darüber hinwegkommt, seine Mutter verloren zu haben?«
    Mark überlegte erst, bevor er antwortete. »Überstürzen Sie nichts, Jenny«, meinte er nach einer Weile. »Es dauert ein wenig, um einen Menschen wie Erich von, nun, von seiner Prägung abzubringen, wie der Psychologe sagen würde.« Er lächelte. »Aber allmählich wird er bestimmt zu schätzen lernen, was er jetzt hat.«
    »Aber Sie kommen doch?«
    »Ja. Und Emily kann es kaum abwarten, Sie kennenzulernen.«
    Jenny lachte halb sehnsüchtig, halb wehmütig. »Ich kann es auch kaum abwarten, ein paar nette Leute kennenzulernen.«
    Sie verabschiedete sich und ging ins Haus. Elsa war gerade im Begriff zu gehen. »Die Mädchen schlafen noch. Ich kann morgen auf dem Weg zu Ihnen einkaufen.
    Ich habe die Liste eingesteckt.«
    »Die Liste?«
    »Ja, als Sie heute morgen mit den beiden draußen waren, ist Mr. Krueger gekommen. Er sagte, ich solle von nun an die Einkäufe erledigen.«
    »Unsinn«, erklärte Jenny. »Ich kann hinfahren, oder Joe fährt mich hin.«
    »Mr. Krueger hat gesagt, daß er die Wagenschlüssel an sich nehmen will.«
    »Aha, ich verstehe. Danke Elsa.« Jenny wollte nicht zeigen, wie empört sie war.
    Doch als Elsa die Tür hinter sich zugemacht hatte, wurde ihr bewußt, daß sie am ganzen Leib zitterte. Hatte Erich die Schlüssel genommen, um dafür zu sorgen, daß Joe nicht mehr ohne Erlaubnis mit dem Auto fuhr? Oder war es möglich, daß er vermutete, sie habe es benutzt?
    Nervös blickte sie sich in der Küche um. Wenn sie sich früher über etwas aufgeregt hatte, beruhigte sie sich immer dadurch, daß sie irgendeine größere Arbeit in Angriff nahm, vor der sie sich lange gedrückt hatte.
    Beispielsweise den Backofen reinigen. Aber hier war alles makellos.
    Sie starrte auf die Behälter, die auf der Arbeitsplatte standen. Sie nahmen so viel Platz weg und wurden selten gebraucht. Jedes Zimmer hier war kalt, steif, vollgestellt.
    Es war ihr Heim. Erich würde sich sicher freuen, wenn sie manchen Dingen ihren Stempel aufdrückte?
    Sie machte auf einem Regal in der Speisekammer Platz für die Dosen. Der runde Eichentisch stand exakt in der Mitte des Raums, und die Stühle waren exakt im gleichen Abstand voneinander darum placiert. Wenn der Tisch dagegen unter dem Fenster an der Südwand stand, überlegte sie, war der Weg zur Anrichte viel kürzer, auf die sie immer den Salat und die Sandwiches stellte, und man hatte dann beim Essen einen herrlichen Blick über die Wiesen und Felder. Sie schob den Tisch hin, ohne darauf zu achten, ob die Beine die Dielen zerschrammten.
    Der Fleckerlteppich, der im Zimmer von Beth und Tina gelegen hatte, war auf den Speicher gebracht worden. Sie beschloß, ihn vor den Gußeisenherd zu legen und das Sofa, den Sessel und noch einen kleinen Sessel aus der Bibliothek im Halbkreis davor zu gruppieren —
    nun hatten sie in der Küche eine gemütliche kleine Sitzecke.
    Von beinahe fieberhafter Energie beseelt, eilte sie ins Wohnzimmer, nahm ein paar von den Nippes und stellte sie auf ein Büffet. Mehr Mühe kostete es, die Stickereigardinen abzunehmen, die so feinmaschig waren, daß sie kaum Sonne hereinließen und jede Sicht aus dem Wohnzimmer und Eßzimmer verhinderten, doch als sie sich eine Trittleiter geholt hatte, schaffte sie es.
    Das Wohnzimmersofa war gewaltig, so daß sie es kaum von der Stelle bekam, aber irgendwie gelang es ihr, es dorthin zu wuchten, wo der Mahagonitisch gestanden hatte, und diesen davorzurücken. Als sie fertig war, wirkte der Raum gleich viel anheimelnder und freundlicher.
    Sie schritt durch die anderen Zimmer im Erdgeschoß und überlegte, was sie ändern sollte. Bloß nicht zu viel auf einmal, sagte sie sich. Sie legte die Gardinen zusammen und brachte sie auf den Dachboden. Dort fiel ihr Blick auf den großen Teppich. Wenn sie ihn nicht allein nach unten tragen konnte, würde sie Joe bitten, ihr zu helfen.
    Sie zerrte an dem schweren Teppich, erkannte, daß sie unmöglich allein damit fertig wurde, und blickte sich ohne besondere Neugier auf dem Speicher um.
    Ein kleiner blauer Kosmetikkoffer aus Leder mit den Initialen C. B. K. fiel ihr ins Auge. Sie zog ihn hervor und betrachtete ihn. Ob er

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