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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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verschlossen war? Sie zögerte nur einen Moment, knipste dann die beiden Verschlüsse auf. Der Deckel klappte hoch.
    Auf einem tablettähnlichen Einsatz standen und lagen Toilettenartikel. Cremes und Make-up und Fichtennadelseife. Unter dem Einsatz lag ein ledergebundener Notizkalender, fünfundzwanzig Jahre alt, wie die Zahl auf dem Umschlag besagte. Jenny schlug ihn auf und blätterte ein paar Seiten um. 2. Januar, 10 Uhr Schulkonferenz, Erich. 8. Januar, Dinner, Luke Garrett, Meiers, Behrends. 10. Januar, Bücher zur Bibliothek bringen. Sie überflog die stichwortartigen Einträge. 2. Februar: 9 Uhr, Gericht. Ob das wohl der Termin für die Scheidung gewesen war? 22. Februar: Hockeyschläger für E. bestellen. Der letzte Eintrag, 8.
    März: Erich Geb.tag. All das war mit hellblauer Tinte geschrieben. Dann auf einmal mit anderer Tinte: 19 Uhr, Northwest, Flug 241, Minneapolis — San Francisco. Ein nicht entwertetes Hinflugticket war an die Seite geheftet, darunter ein Blatt Papier, ein Brief.
    Der gedruckte Name auf dem Briefkopf: Everett Bonardi, Carolines Vater, dachte Jenny beklommen.
    Schnell las sie die hingekritzelten Worte. »Liebe Caroline! Deine Mutter und ich sind nicht überrascht über Deinen Entschluß, John, zu verlassen. Wir machen uns schreckliche Sorgen um Erich, aber nach der Lektüre Deines Briefes müssen wir auch sagen, daß Du ihn am besten bei seinem Vater läßt. Wir hatten keine Ahnung von den wahren Umständen. Wir hatten ein paar gesundheitliche Probleme, aber wir freuen uns natürlich sehr darauf, Dich wieder bei uns zu haben. Alles Liebe.«
    Jenny faltete den Brief zusammen, schob ihn in den Notizkalender zurück und schloß den Deckel des Köfferchens. Was hatte Everett Bonardi gemeint, als er
    ›Wir hatten keine Ahnung von den wahren Umständen‹
    schrieb?
    Langsam ging sie die schmale Speichertreppe hinunter.
    Die Mädchen schliefen immer noch. Liebevoll blickte sie auf sie hinunter, dann stockte ihr der Atem. Die rostroten Haare der Kleinen ringelten sich auf dem Kopfkissen.
    Oben auf jedem Kissen, so placiert, daß es fast wie ein Haarschmuck wirkte, lag ein kleines, rundes Stück Fichtennadelseife. Der zarte Duft hing überall im Zimmer.
    »Sind sie nicht süß, die beiden?« hauchte ihr jemand ins Ohr. Zu erschrocken, um zu schreien, fuhr Jenny herum. »Oh, Caroline«, seufzte Rooney Toomis, mit feuchten Augen ins Leere starrend. »Gibt es auf der Welt etwas, was wir lieber haben als unsere Kleinen?«
    Irgendwie gelang es ihr, Rooney aus dem Zimmer zu bugsieren, ohne die Mädchen zu wecken. Rooney schlang den Arm um ihre Taille, leistete aber nicht viel Widerstand. Auf der Treppe wäre sie um ein Haar hingefallen.
    »Trinken wir eine Tasse Tee«, schlug Jenny vor und bemühte sich um einen ganz normalen Tonfall. Wie war Rooney ins Haus gekommen? Sie mußte noch einen Schlüssel haben.
    Rooney schlürfte ihren Tee stumm, ohne den Blick vom Fenster zu wenden. »Arden hat den Wald so geliebt«, sagte sie. »Sie wußte natürlich, daß sie immer nur bis zum Rand gehen durfte. Aber sie ist auf die Bäume geklettert. Sie hat immer auf dem dort gesessen«
    — Rooney zeigte zu einer dicken Eiche — »und die Vögel beobachtet. Hab’ ich Ihnen schon erzählt, daß sie ein Jahr lang Vorsitzende der Jugendgruppe war?«
    Als sie sich umwandte und Jenny ansah, wurde ihre Stimme ruhiger und ihr Blick klarer. »Sie sind ja gar nicht Caroline«, sagte sie entgeistert.
    »Nein. Ich bin Jenny.«
    Rooney seufzte. »Entschuldigung. Ich nehme an, ich habe es vergessen. Es kam wieder so über mich, einer von diesen… diesen Anfällen. Ich dachte, ich käme zu spät zur Arbeit. Ich hätte verschlafen. Caroline hätte natürlich nichts gesagt, aber John Krueger war so pingelig.«
    »Und Sie hatten einen Schlüssel?« fragte Jenny.
    »Ich habe ihn vergessen. Die Tür war nicht abgeschlossen. Aber ich habe ja gar keinen Schlüssel mehr, oder?«
    Jenny war ganz sicher, daß die Küchentür abgesperrt gewesen war. Andererseits … Sie beschloß, Rooney nicht noch weiter in die Enge zu treiben.
    »Ich bin nach oben gegangen, um die Betten zu machen«, erzählte Rooney. »Aber sie waren schon alle gemacht. Und dann habe ich Caroline gesehen. Nein, ich habe Sie gesehen.«
    »Und Sie haben den Kindern die Fichtennadelseife aufs Kopfkissen gelegt?« fragte Jenny.
    »O nein. Das muß Caroline gewesen sein. Sie war diejenige, die den Duft liebte.«
    Es war sinnlos, Rooney war so durcheinander, daß sie

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