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Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
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fort. »Der Jährling, den du mir letzten Monat auf der Weide gezeigt hast. Du hast gesagt, er schaue so traurig drein. Du wirst ihn gleich essen!«
    Ihre Kehle schnürte sich zu. Sie unterdrückte einen Würgereiz. Lieber Gott, laß mir jetzt nicht übel werden.
    Emily lachte. »Du bist gemein, Erich. Weißt du noch, wie du mit Arden das gleiche gemacht hast, und sie brach jedesmal in Tränen aus?«
    »Arden?« fragte Jenny. Sie griff nach ihrem Glas Wasser. Der Knoten in ihrer Kehle löste sich langsam auf.
    »Ja. Sie war wirklich ein nettes Mädchen. Die typische junge Amerikanerin bester Sorte. In Tiere vernarrt. Als sie sechzehn war, rührte sie auf einmal kein Fleisch mehr an. Sie sagte, es sei barbarisch, und sie wolle später Tierärztin werden. Aber ich nehme an, sie hat es sich irgendwann anders überlegt. Ich war auf dem College, als sie fortlief.«
    »Rooney hat nie die Hoffnung aufgegeben, daß sie eines Tages zurückkommt«, bemerkte Mark.
    »Unglaublich, dieser Mutterinstinkt. Man kann ihn vom Augenblick der Geburt an beobachten. Selbst das dümmste Tier wird immer wissen, welches das eigene Kalb ist, und beschützt es bis zum Tode.«
    »Du ißt dein Fleisch nicht, Liebling«, sagte Erich.
    Zorn wallte in ihr auf und gab ihr die Kraft, ihm gerade in die Augen zu sehen. »Und du scheinst dein Gemüse zu vergessen, mein Lieber«, erwiderte sie, ohne den Blick zu senken.
    Er zwinkerte ihr zu. Er meinte es scherzhaft. »Ein Punkt für dich«, sagte er lächelnd.
    Das leise Bimmeln der Türglocke ließ sie alle zusammenzucken. Erich runzelte die Stirn. »Also, wer kann das —« Er starrte Jenny an und verstummte. Sie wußte, was er dachte. Lieber Gott, laß es nicht Kevin sein, flehte sie stumm, und als sie ihren Stuhl zurückschob, merkte sie erst, daß sie schon den ganzen Abend um Intervention von oben gebetet hatte.
    Ein bulliger, etwa sechzigjähriger Mann mit schweren Schultern, einer zerknautschten Lederjacke und dicht zusammenstehenden, träge blickenden Augen stand in der Tür. Sein Wagen parkte vor dem Eingang, ein Streifenwagen mit einer Rotlichtkuppel auf dem Dach.
    »Mrs. Krueger?« Ihr wurde schwach vor Erleichterung. Egal was dieser Mann auch wollte, zumindest war es nicht Kevin.
    »Ich bin Wendell Gunderson, der Sheriff von Granite County. Darf ich reinkommen?«

    »Natürlich. Ich hole meinen Mann.«
    Erich eilte schon den Flur entlang in die Diele. Jenny registrierte den respektvollen Ausdruck, der sofort in das Gesicht des Sheriffs trat. »Tut mir leid, daß ich so hereinplatze, Erich. Ich muß Ihrer Frau nur ein paar Fragen stellen.«
    »Mir ein paar Fragen stellen?« Schon ehe sie ausgeredet hatte, wußte sie, daß dieser Besuch mit Kevin zusammenhing.
    »Ja, gnädige Frau.« Aus dem Eßzimmer konnten sie Marks Stimme hören. »Könnten wir uns ein paar Minuten unterhalten?«
    »Trinken Sie doch eine Tasse Kaffe mit uns«, schlug Erich vor.
    »Vielleicht wäre es Ihrer Frau lieber, wenn niemand zuhört«, sagte der Sheriff.
    Jenny fühlte kalten Schweiß auf der Stirn. Sie merkte, daß auch ihre Handflächen feucht geworden waren. Ihr war so unwohl, daß sie die Lippen zusammenpreßte und ein paarmal krampfhaft schluckte. »Es besteht sicher kein Grund, weshalb wir nicht bei Tisch reden sollten«, murmelte sie hilflos.
    Sie führte den Sheriff ins Eßzimmer, beobachtete, wie Emily ihn mit schnell überspieltem Erstaunen begrüßte und wie Mark sich auf seinem Stuhl zurücklehnte, eine Stellung, die er offenbar immer einnahm, wenn er eine Situation analysierte.
    »Mrs. Krueger, kennen Sie einen gewissen Kevin MacPartland?«
    »Ja.« Sie wußte, daß ihre Stimme bebte. »Hatte er einen Unfall?«
    »Wann und wo haben Sie ihn zuletzt gesehen?«
    Sie steckte die Hände in die Taschen ihres Rocks, ballte sie zu Fäusten. Natürlich hatte es herauskommen müssen. Aber warum auf diese Weise? O Erich, es tut mir so verdammt leid, dachte sie. Sie konnte ihn nicht ansehen. »Am vierundzwanzigsten Februar im Einkaufszentrum in Raleigh.«
    »Kevin MacPartland ist der Vater Ihrer Kinder?«
    »Er ist mein geschiedener Mann und der Vater meiner Kinder.« Sie hörte, wie Emily überrascht Luft holte.
    »Wann haben Sie das letztemal mit ihm gesprochen?«
    »Er hat mich am siebten März angerufen, abends gegen neun Uhr. Aber was hat das zu bedeuten? Ist ihm etwas passiert?«
    Die Augen des Sheriffs verengten sich zu Schlitzen.
    »Am neunten März bekam Kevin MacPartland nachmittags bei einer Probe im

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