Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Schrei in der Nacht

Titel: Schrei in der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mary Higgins Clark
Vom Netzwerk:
das Restaurant betraten, zog sie sich den hochgeklappten Mantelkragen halb vors Gesicht. Das letztemal hatte sie es so eilig gehabt, wieder fort zu kommen, daß sie kaum eine Einzelheit des Lokals wahrgenommen hatte. Jetzt erst sah sie, daß es mit seinen Fichtenmöbeln, seinem weinroten Teppich, dem gedämpften Licht, den altmodisch geblümten Vorhängen und dem prasselnden Kaminfeuer ungemein anheimelnd war. Sie blickte verstohlen zu der Nische, in der sie mit Kevin gesessen hatte.
    »Bitte hier entlang.« Die Empfangsdame führte sie in genau die Richtung. Jenny hielt den Atem an, doch zum Glück rauschte das Mädchen an der Nische vorbei und führte sie zu einem Tisch am Fenster. In dem Kübel neben dem Tisch stand bereits eine Flasche Champagner.
    Als eingeschenkt war, hob Jenny ihr Glas: »Alles Gute zum Geburtstag, Erich.«
    »Danke.«
    Stumm tranken sie.
    Erich hatte ein dunkelgraues Tweedsakko mit einer schmalen schwarzen Krawatte und anthrazitgraue Flanellhosen an. Seine dichten, dunklen Augenbrauen und Wimpern unterstrichen das Blau seiner Augen, und sein fast bronzefarbenes Haar schimmerte im Schein der Kerze auf dem Tisch. Er griff nach ihrer Hand.
    »Ich zeige dir so gern Plätze, die du noch nicht kennst, Liebling.«
    Ihr Mund wurde jäh trocken. »Ich gehe gern überall —

    überallhin, wenn du dabei bist.«
    »Ich glaube, ich habe den Zettel deshalb geschrieben.
    Du hattest recht, Liebes, es war nicht nur zum Scherz. Ich war eifersüchtig, als ich sah, daß Joe dir Reitunterricht gab. Ich dachte nur, daß ich unbedingt dabeisein wollte, wenn du zum erstenmal auf Feuermaid sitzt. Ich nehme an, es war beinahe, als hätte ich dir ein Schmuckstück gekauft, und du hättest es für jemand anderen getragen.«
    »Erich«, protestierte sie. »Ich dachte doch nur, du bist froh, wenn du nicht mit ansehen mußt, wie ich das erstemal aus dem Sattel falle.«
    »Es ist ähnlich wie beim Haus, nicht wahr, Jen? Du kommst an, und nach vier Wochen versuchst du, einen historischen Schatz in ein New Yorker Apartment mit nackten Fenstern und häßlichen Zimmerpflanzen zu verwandeln. Liebling, darf ich ein Geburtstagsgeschenk für mich vorschlagen? Nimm dir ein wenig Zeit, um herauszufinden, wer ich bin — wer wir sind. Du hast mir Grausamkeit vorgeworfen, als ich ein Tier erschoß, weil ich dachte, es könnte unsere Kinder angreifen. Darf ich dir sagen, daß du ebenfalls völlig ungerechtfertigt aus der Hüfte geschossen hast, nur auf andere Weise? Und noch etwas, was ich sagen muß. Du bist seit vier Generationen die erste Krueger, die sich erlaubt hat, ihrem Mann in Gegenwart eines Angestellten eine Szene zu machen.
    Caroline wäre lieber tot umgefallen, als vor anderen Leuten Kritik an meinem Vater zu üben.«
    »Ich bin aber nicht Caroline«, sagte Jenny ruhig.
    »Liebling, versteh bitte, daß ich nicht grausam zu Tieren bin. Ich bin nicht unnötig streng. An jenem ersten Abend in deiner Wohnung konnte ich sehen, daß du nicht verstanden hast, warum es mich überraschte, daß du MacPartland Geld gegeben hast, und das gleiche ist dann an unserem Hochzeitstag noch einmal passiert. Aber es hat sich an uns beiden gerächt, nicht wahr?«
    Wenn du nur wüßtest, dachte Jenny.
    Der Oberkellner kam mit einem aufgesetzten verbindlichen Lächeln auf sie zu und reichte ihnen die Speisekarten. »Ich finde, wir haben die Situation jetzt ein wenig geklärt, Liebes«, sagte Erich. »Laß uns das Essen genießen und merk dir bitte, daß ich tausendmal lieber mit dir hier bin als mit irgend jemand anderem irgendwo anders auf der Welt.«
    Als sie wieder zu Haus waren, zog sie das seegrüne Nachthemd an. Sie hatte Erich beim Essen nichts von der möglichen Schwangerschaft gesagt. Die Wahrheit seiner Bemerkungen hatte sie zu sehr mitgenommen. Sie würde es ihm erzählen, wenn sie im Bett lag, in seinen Armen.
    Aber er blieb nicht bei ihr. »Ich muß unbedingt allein sein. Ich komme Donnerstag zurück, aber nicht vorher.«
    Sie wagte nicht, etwas einzuwenden. »Vergiß in deinem kreativen Schwung bitte nicht, daß Mark und Emily Freitag zum Essen kommen.«
    Sie lag im Bett, und er blicke auf sie hinunter. »Ich vergesse es bestimmt nicht.« Er ging, ohne sie zu küssen.
    Abermals war sie allein in dem Zimmer, das ihr wie eine große Gruft vorkam, und fiel in den unruhigen, von Traumfetzen unterbrochenen Schlaf, an den sie sich fortan wohl gewöhnen mußte.
19
    Die Vorbereitungen für die Dinnerparty waren trotz allem eine angenehme

Weitere Kostenlose Bücher