Schrei in Flammen
elf, vielleicht halb zwölf. Ich weiß es nicht genau, ich wollte einfach nur heim.«
»Und wie sind Sie dann nach Hause gekommen?«
»Zu Fuß.«
»Ich dachte, Sie wären müde gewesen? Das ist doch eine ziemliche Strecke.«
»Die frische Luft tat mir ganz gut. Das war eine stressige Woche für mich.«
»Wann waren Sie zu Hause?«
»Das muss so um halb eins gewesen sein. Vielleicht später.«
»Und was haben Sie dann gemacht?«
»Ich bin geradewegs ins Bett gegangen. Kirsten schlief schon.« Kirsten Dahl nickte wieder.
»Ich habe dich gar nicht nach Hause kommen hören«, fügte sie hinzu.
»Wie viele Schlüssel haben Sie für den Wagen?«, fragte Jens.
»Zwei«, antwortete Asger Dahl. »Wir haben jeder einen.«
»Okay, die würde ich gerne mitnehmen. Ich glaube, dann wären wir fürs Erste fertig«, sagte Jens und machte Anstalten aufzustehen.
»Kann ich Sie morgen erreichen?«, fragte Asger Dahl. »Ich meine … Die Situation ist ja etwas prekär, wenn man meine Position berücksichtigt. Ich bin ja eine öffentliche Person, weshalb es mir sehr recht wäre, wenn …«
»Ja, und erst recht unsere Töchter, wir müssen ihnen das ja erklären«, sagte Kirsten. »Das wird schrecklich werden, Asger.« Sie sah ihren Mann an. »Silje wird das nicht verkraften.«
»Wir haben zwei Mädchen, Silje und Thea, dreizehn und fünfzehn Jahre alt«, sagte Asger Dahl erklärend zu Katrine. »Silje ist sehr sensibel.«
»Wir nehmen morgen ganz sicher mit Ihnen Kontakt auf«, sagte Jens zu Asger. »Außerdem kriegen Sie die hier.« Er reichte ihm seine Visitenkarte.
»Wer ist die Tote?«, fragte Kirsten Dahl.
»Wir haben die Leiche noch nicht identifiziert, wir hoffen aber, dass wir ihre Identität bis morgen kennen. Gut, dann will ich sie nicht länger stören«, sagte Jens und stand auf.
Katrine und Jens wurden nach draußen begleitet. Sie verabschiedeten sich, und die Tür fiel hinter ihnen ins Schloss. Gleich darauf war von drinnen das Schluchzen einer Frau zu hören.
»Seine Erklärung scheint auf den ersten Eindruck ja ganz plausibel«, sagte Jens.
»Hm«, erwiderte Katrine. »Wäre trotzdem interessant zu wissen, ob es da eine Verbindung gibt. Ich meine, ob diese Frau und er sich kennen.«
»Das wird sich zeigen«, sagte Jens. »Tja, ich kann dich kaum bitten, morgen zu kommen, wenn wir noch nicht einmal wissen, ob wir für diesen Fall überhaupt zuständig sind.«
»Und wie willst du mich davon abhalten …?«
»Gut, dann kümmern wir uns morgen um ihn«, sagte Jens.
»Das tun wir.«
Beide lächelten müde.
»Sehen wir zu, dass wir nach Hause kommen«, sagte Jens. Katrine nickte und fischte ihre Autoschlüssel aus der Jackentasche. Jens warf einen Blick auf ihren Wagen, einen älteren schwarzen Opel.
»Neues Auto?«
»Ja, das habe ich bei so einem richtigen Bastler oben in Gilleleje gekauft. Schön ist es nicht, aber er hat mir versprochen, dass es noch viele Kilometer macht.«
»Und du hast ihm angesehen, dass er dich nicht angelogen hat?«, fragte Jens und zwinkerte ihr zu.
»Genau«, antwortete Katrine.
»Na ja, das sind ja bekanntermaßen vertrauenswürdige Personen« sagte Jens. Katrine lachte. »Ich fahr noch im Präsidium vorbei und sorge dafür, dass intern alle informiert sind. Dann gebe ich noch kurz eine Meldung an die Presse raus. Wäre schon klasse, wenn wir sie bis morgen identifiziert hätten. Aber noch scheint sie ja niemand zu vermissen.«
»Vielleicht hat sie allein gewohnt, und niemand hat bemerkt, dass sie weg ist. Noch«, mutmaßte Katrine.
»Guter Gedanke.«
Sie verabschiedeten sich und fuhren in unterschiedliche Richtungen davon.
Katrine Wraa sah sich panisch um.
Sie saß auf dem Beifahrersitz eines Autos, spürte brennende Schmerzen und eine unglaubliche Hitze an den Füßen. Sie blickte nach unten. Flammen leckten an ihren Beinen empor. Sie versuchte, den Sicherheitsgurt zu öffnen, bekam ihn aber nicht auf. Sie kam einfach nicht raus, war in dem Auto gefangen.
Die Flammen breiteten sich in Windeseile aus und umgaben sie jetzt auf allen Seiten. Sie wollte schreien, aber es kam kein Laut über ihre Lippen. Oder übertönte das Rauschen der Flammen ihre hilflosen Schreie?
Katrine wachte von ihrer eigenen Stimme auf und richtete sich im Bett auf.
Sie sah sich in dem kleinen Schlafzimmer um. Sie keuchte, als wäre sie gerade um ihr Leben gerannt. Ihr Herz hämmerte wild, und ihr Kopf dröhnte im Takt mit ihrem Puls. Sie schwang die Beine aus dem Bett und stützte
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