Schrei in Flammen
Verkäufe waren ebenso verdient wie dringend nötig, dachte er. In den letzten Monaten hatte es an allen Ecken und Kanten Probleme gegeben. Komplizierte Sachen. Doch jetzt sah er langsam Licht am Horizont. Andere Verkäufer würden das vielleicht nicht zugeben oder hatten diese Empfindungen nicht, aber Christian Letoft bekam in diesen Situationen immer eine ungeheure Lust auf Sex. Er fühlte sich großartig, potent und unüberwindlich. AHHH !
Louise, seine 27-jährige Assistentin, die sich um den Großteil der Papierarbeit kümmerte, lächelte ihn unsicher an. »Glückwunsch, Christian, zwei in einer Woche. Das ist wirklich ein Erfolg«, sagte sie.
Er sah sie ganz kurz an. Nicht zu fassen, dass sie trotz ihrer jungen Jahre bereits wie seine Mutter klang.
»Das kannst du laut sagen!«, rief er und schlug mit der flachen Hand auf die Tischplatte, um seine überschüssige Energie loszuwerden. Louise zuckte erschrocken zusammen, stellte er zufrieden fest.
Christian ging in sein Glaskäfigbüro ganz hinten in dem großen, vier Meter hohen Showroom. Er warf sich auf seinen Bürostuhl und rollte nach hinten. Die Situation hatte ihm doch mehr zugesetzt, als er es wahrhaben wollte oder anderen gegenüber eingestanden hatte. Ganz sicher nicht seinem Vater, Arne Letoft. Wenn sein Vater ihn gefragt hatte, wie es in diesen schweren Zeiten mit seiner alten Firma lief, hatte Christian ohne zu zögern die immer gleiche Platte abgespielt und gesagt, sie hätten eine Reihe von Stammkunden, die immer wieder Neuwagen kauften und noch genug Geld auf der hohen Kante hätten. Dabei wusste er nicht, wo diese Stammkunden in den letzten zwei Jahren ihre Wagen gekauft hatten, wenn sie denn welche gekauft hatten. Und als wäre das noch nicht genug, hatte er wohl oder übel noch eine nicht vorhersehbare, gewaltige Zahlung leisten müssen. Christian war der Einzige aus der Familie mit einem festen Einkommen, und die Rückzahlung für ihr Haus nagte alle drei Monate schmerzhaft an seinem Konto. Bis jetzt hatte ihn das Eigenkapital der Firma gerettet. Aber auch das bröckelte im Takt mit den sinkenden Umsätzen immer schneller weg. Christian konnte seinem Vater auf keinen Fall erzählen, wie schlecht es wirklich um sein Lebenswerk stand. Die Konsequenzen waren unüberschaubar, sollte Christian tatsächlich irgendwann das absolute Tabuwort »Konkurs« aussprechen müssen.
Doch jetzt hatte er zwei Autos verkauft. Und nicht irgendwelche Autos. Audi. Topmodelle! Das musste doch bedeuten, dass ihm jetzt wieder bessere Zeiten ins Haus standen. Wenn die Verkäufe dieser beiden Autos auch das Resultat eines neuen und ganz speziellen, sehr vorteilhaften Handels für Christian und den Käufer gewesen waren, der ein besonderes gegenseitiges Vertrauen erforderte. Aber die Papiere waren in bester Ordnung. Man durfte doch wohl auch einmal Glück haben, dachte Christian und rief seine Frau Sofia an.
»Hallo, Schatz«, meldete sie sich mit ihrem charmanten Akzent. Sie war Schwedin.
»Hallo, Liebling«, sagte Christian. »Gute Neuigkeiten. Ich habe gerade noch einen Wagen verkauft. Ich glaube, jetzt geht es wieder aufwärts.«
»Das ist ja phantastisch! Wie schön, dass Lis und August heute Abend zum Essen kommen, dann können wir das gleich gemeinsam feiern.«
Lis und August waren ihre Nachbarn. August war Alleineigentümer einer gutgehenden Anwaltskanzlei, die sich, die Gunst der Stunde nutzend, auf Zwangsversteigerungen spezialisiert hatte. Lis hatte früher als Arzthelferin gearbeitet. Aber das brauchte sie nicht mehr, seit die Finanzkrise eingesetzt hatte und das Geld nur so in Augusts Kanzlei strömte. Sie trafen sich alle paar Monate zum Essen, auch wenn Christian, was diese Freundschaft anging, gemischte Gefühle hatte. Er war nämlich nicht ganz ohne Neid auf Augusts Erfolg. Andererseits war es natürlich wichtig, gute Verbindungen zu pflegen. Sofia arbeitete selbständig als Inneneinrichterin, aber die Einnahmen überstiegen nur selten die Ausgaben ihrer kleinen Firma. Ihren bislang größten Auftrag hatte sie bei Lis und August gehabt, deren neuen Anbau sie hatte einrichten dürfen, wodurch die Abstände zwischen den Essen dummerweise kürzer geworden waren, als es Christian lieb war. Bis auf weiteres spielte er Sofia zuliebe mit, und an diesem Tag hatte er sogar das Gefühl, dass er gut mit Augusts selbstzufriedener Art zurechtkommen würde.
»Super Idee! Weißt du was, ich kaufe auf dem Rückweg noch ein paar Flaschen guten Wein.«
»Dann
Weitere Kostenlose Bücher