Schrei in Flammen

Letoft mitgemacht? Hatten die beiden Jugendlichen zwischen den Einbrüchen alles Mögliche abgefackelt? War er deshalb auf die Idee gekommen, ein Auto in Brand zu stecken?
    Aber warum?
    Sie musste mehr über Christian Letoft in Erfahrung bringen, um dort weiterzukommen. Katrine überlegte, was sie als Nächstes tun sollte, und fluchte innerlich, dass Jens sich noch immer nicht gemeldet hatte.
    Da kam ihr der Gedanke an Christian Letofts Adoptiveltern. Sie wohnten doch gleich hier in der Nähe. Wenn sie es geschickt anstellte, würden sie ihr vielleicht etwas über Christians Beziehung zu Jim erzählen.
    Katrine gab die Adresse in ihr Navi ein. Sie wohnten nur einen Kilometer entfernt.
    *
    Katrine ging durch den Vorgarten von Christian Letofts Elternhaus. Im Carport stand ein neuer Audi. Der ehemalige Autohändler war also fahrtechnisch auf dem neuesten Stand.
    Katrine klingelte und trat einen Schritt zurück. Sie hatte sich zurechtgelegt, was sie sagen wollte. Die Situation war ja ein wenig prekär. Christian hatte seinen Adoptiveltern vermutlich nichts davon gesagt, dass seine Halbschwester Kontakt zu ihm aufgenommen hatte. Und wussten sie überhaupt, dass Christians biologischer Vater noch ein Kind gehabt hatte? Wahrscheinlich nicht.
    Wie sollte sie das Gespräch eröffnen? Es gab nur eine Möglichkeit, aber damit überschritt sie eine Grenze. Weder Kragh noch Melby würden sehr erbaut sein, wenn sie es erfuhren.
    Sie wollte gerade ein zweites Mal klingeln, als die Tür von einer älteren Dame geöffnet wurde. Sie musterte Katrine skeptisch wie einen lästigen Vertreter.
    »Mein Name ist Katrine Wraa, ich bin von der Polizei in Kopenhagen. Entschuldigen Sie die späte Störung, aber ich ermittele in einem Mordfall, in dem es eine Verbindung zu dem leiblichen Vater ihres Sohnes gibt. Ich habe bereits mit Ihrem Sohn gesprochen. Darf ich einen Augenblick hereinkommen?«
    Die Frau sah Katrine misstrauisch an und rief dann ihren Mann.
    »Arne, da ist eine Frau von der Polizei. Sie will mit uns reden.«
    Gleich darauf erschien ein älterer, großer Mann mit grauen, welligen Haaren und vollen Wangen.
    Katrine wiederholte ihr Anliegen.
    Arne Letoft musterte Katrine eindringlich, während er zu überlegen schien, was von ihm erwartet wurde.
    »Wir haben Besuch von unseren Enkeln«, sagte der Patriarch im Türrahmen mit einem Blick auf seine Frau, ehe er sich wieder Katrine zuwandte. »Wenn Sie also mit mir vorliebnehmen würden. Treten Sie ein, dann gehen wir in mein Büro.«
    Katrine sah Frau Letoft ins Wohnzimmer verschwinden, aus dem Kinderstimmen zu hören waren.
    Arne Letoft führte Katrine in ein mit schweren alten Eichenmöbeln ausgestattetes Eckzimmer, in dem die Zeit stehengeblieben zu sein schien. Nur der Laptop auf dem Schreibtisch passte nicht zu dem Gefühl einer Reise in die Vergangenheit. Ein dunkles Regal mit ledergebundenen Büchern und den dünnen, bunten Rücken von Automagazinen füllte die eine Wand, gegenüber stand eine riesige Glasvitrine mit Miniaturmodellen von Autos.
    »Eine imposante Sammlung«, sagte Katrine, um das Eis zu brechen. Sie stellte sich vor die Vitrine, um sie sich die Modelle anzusehen.
    »Ja, mit dem Sammeln habe ich lange vor meinem Start in der Autobranche angefangen. Hier stehen alle Jahrgänge der Topmodelle von BMW und Audi, seit 1964. Unten im Keller sind noch mehr.« Arne Letoft, passionierter Autohändler, sah sie stolz an. In seiner Stimme klang ein freundlicher Unterton mit, seine Lippen deuteten ein Lächeln an. Er betrachtete hingerissen seine Modellautos, ehe er sich wieder Katrine zuwandte. »Sie wollen mit mir über Christians leiblichen Vater sprechen? Kommen Sie, setzen wir uns.«
    Arne Letoft wies einladend auf einen der Stühle vor dem Schreibtisch. Er selbst setzte sich in den Lederstuhl hinter dem Tisch, der ächzte, als sein Gewicht die Federn nach unten drückte.
    »Ja«, sagte Katrine und setzte sich. »Deswegen bin ich hier.«
    Arne Letoft wartete geduldig auf ihren Einsatz.
    »Wir ermitteln in einem Mordfall an einer Frau namens Maja Jensen. Sie war Prostituierte und ist vor zwei Wochen in einem Auto verbrannt. Bei der näheren Untersuchung ihres Hintergrundes haben wir herausgefunden, dass ihr Vater für den Mord an seiner ersten Ehefrau verurteilt worden war. Und dass ihr Vater auch Christians Vater ist.«
    Arne Letoft stieß einen überraschten Laut aus.
    Katrine erklärte ihm die Zusammenhänge.
    »Nachdem er seinen Sohn zur Adoption freigegeben hatte,