Schrei in Flammen
Sie nahm den Stapel mit ins Wohnzimmer. »Ich glaube, ich habe Fotos von ihr gefunden«, sagte sie zu Jens. Sie sahen sich die Bilder gemeinsam an, die alle von einem Profi aus einem Fotostudio zu stammen schienen.
»Ja, da sind aber auch noch ganz andere Fotos«, sagte Katrine und blätterte weiter. Auf dem Foto, das sie Jens dann zeigte, war deutlich mehr Haut zu sehen. Katrine blätterte weiter und stellte fest, dass sich die Frau – vermutlich Maja – vor dem Fotografen immer weiter entblößt hatte.
»Aber wirklich«, sagte Jens.
»Tja … richtig pornographisch sind die ja nicht. Vielleicht war sie Model für ein Männermagazin? Oder sie hat die Bilder einfach für sich machen lassen?«
»Lass uns das Porträtfoto mitnehmen. Das kann nie schaden.«
»Und die anderen lassen wir hier?«
»Ja, jedenfalls erst einmal. Sollte es sich bestätigen, dass sie das Opfer ist, muss die Spurensicherung sich die Wohnung ohnehin vornehmen. Wir fahren jetzt erst mal in die Rømersgade.«
Jens hatte den Zahnarzttermin in einem Stapel mit Briefen und Quittungen gefunden. Während er telefonierte, hatte er den Poststapel durchgesehen und war dabei auf einen Brief gestoßen, der an Maja Jensen adressiert war, allerdings mit einer Adresse in der Rømersgade. Von dort aus musste Katja angerufen haben.
Bevor sie die Wohnung verließen, füllte Jens ein Formular aus, aus dem hervorging, dass sie in der Wohnung gewesen waren, und in dem Maja Jensen aufgefordert wurde, mit Jens Høgh Kontakt aufzunehmen.
Falls sie nach Hause kam und es sich nicht bestätigte, dass sie die Frau war, die in der letzten Nacht in einem Auto unter der Autobahn verbrannt war.
*
»Noch mal!«, rief Lukas begeistert.
»Das ist dann aber das letzte Mal.« Jim Hellberg schaltete in den Leerlauf und trat das Gaspedal ganz durch. Der V8-Motor brüllte auf wie ein großes, gefährliches Tier.
»Der beste Sound der Welt!«, rief Jim und sah Lukas begeistert an.
»Noch mal!«
»Nein, jetzt reicht’s.« Jim drehte den Zündschlüssel, und der Motor erstarb mit einem tiefen Seufzer.
Lukas sprang aus dem Auto, warf die Tür zu und rannte in den Laden. Vor der Eingangstür standen zwei riesige italienische Krüge, und im Schaufenster hingen handgemalte Schalen von den Äolischen Inseln, einer kleinen, vulkanischen Inselgruppe nördlich von Sizilien. Auf dem Schild über der Tür stand mit zierlichen schwarzen Buchstaben
Vulcano Import
.
Als Jim kurz darauf in den Laden kam, umklammerte Lukas die langen Beine seiner Mutter. »Mama!«, sagte er. Stine Hellberg beugte sich nach unten und wühlte durch die weißblonden Haare ihres Sohns. Dann richtete sie sich wieder auf und drehte sich zu Jim um. Ihre Jeans saß perfekt und ließ ihre Beine im Zusammenspiel mit den hochhackigen Sandalen schier endlos aussehen.
Jim schaute sie anerkennend an. Er sah, dass sie seinen Blick sehr wohl wahrnahm und ihren Rücken streckte. Manchmal fragte er sich, wie es sich wohl anfühlte, so abhängig vom Urteil anderer zu sein. Er kannte die psychischen Mechanismen genau. Er hatte, wenn er das von sich sagen durfte, die ganz besondere Gabe, die Schwächen und Stärken anderer Menschen gleich zu erkennen, und diese Gabe hatte ihn nur sehr selten im Stich gelassen.
»Hattest du heute schon Kunden?«
»Ja, ein paar Leute waren schon hier.«
Jim küsste seine Frau. »Wenn du mit Lukas nach Hause fährst, mache ich die Wochenabrechnung und fahre auf dem Rückweg noch bei der Bank vorbei.«
»Okay, Schatz.«
»Wir sehen uns, Junior!«, sagte er zu Lukas, wuschelte ihm durchs Haar und begleitete die beiden zur Tür. Jim schloss hinter ihnen ab und drehte das Schild auf
Closed
um. Dann öffnete er die Kasse, nahm den Umsatz der Woche heraus und begann zu zählen. Es waren ein paar tausend Kronen. Nur gut, dass die Familie noch andere Einkünfte hatte und nicht von dieser Klitsche abhängig war.
Dann tippte er weitere Beträge in die Kasse ein. Fünfmal 600 Kronen und zehnmal 1200 Kronen, insgesamt 15000 Kronen. Danach druckte er den Kassenzettel aus, nahm das Geld und verschwand im Hinterzimmer. Er ging an der kleinen Teeküche und dem alten italienischen Tisch vorbei, setzte sich an den Schreibtisch und drehte den Bürostuhl so, dass er direkt vor dem schwarzen, etwa einen Meter hohen Safe saß. Er gab den sechsstelligen Code ein, hörte das Klicken der drei zur Seite springenden Stahlriegel und öffnete die schwere Tür des feuer- und einbruchsicheren Schranks. Auf der
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