Schrei in Flammen
Mal gesehen?«
»Gestern Abend.«
»Und Sie hatten heute noch keinen Kontakt zu ihr?«
»Nein, eben nicht. Und auch gestern Abend spät nicht mehr. Wir hatten vereinbart, dass sie mir eine
SMS schickt, wenn sie zu Hause angekommen ist. Das hat sie aber nicht getan. Und vor zwei Stunden hatten wir eine Verabredung, zu der sie auch nicht gekommen ist. So was macht sie sonst nie! Und jetzt kann ich sie nicht erreichen. Ich war auch schon bei ihr zu Hause.«
»Können Sie mir ihren vollen Namen, ihre Adresse und ihre Telefonnummer geben?«
»Maja Jensen. Mariendalsvej, Frederiksberg. Die Telefonnummer ist … einen Augenblick, die muss ich grad heraussuchen.«
Die Frau gab ihm die Nummer.
»Und ihre nächsten Angehörigen?«
»Das bin wohl ich.«
»Okay, Katja, darf ich Sie eine Sache fragen? Gibt es einen besonderen Grund dafür, dass Sie diese Nummer hier angerufen haben?«
Das plötzliche Tuten gab ihnen deutlich zu erkennen, dass Katja nicht vorhatte, das Gespräch fortzusetzen.
»Und wo befand das Telefon sich, als sie angerufen hat?«, fragte Jens und hoffte, dass das Handy GPS hatte, denn dann war es möglich, jeden Anruf oder jedes Senden einer SMS auf ein paar Meter genau zu lokalisieren.
»Auf dem Israels Plads, Ecke Rømersgade-Ahlefeldtsgade«, sagte der Wachhabende. »Das Seltsame ist, dass die Nummer, von der aus sie angerufen hat, auf Maja Jensen registriert ist – also die Frau, um die sie sich Sorgen macht.«
»Okay, danke«, sagte Jens und sah Katrine an. »Wir fahren zuerst in den Mariendalsvej.«
Katrine nickte.
*
»Zu
meinem
Geburtstag lade ich Emil nicht ein!«
Jim Hellberg sah seinen fünfjährigen Sohn Lukas an, der auf dem Beifahrersitz des großen Porsche Cayenne Platz genommen hatte. Lukas hatte die Arme vor der Brust verschränkt und starrte entschlossen durch die Windschutzscheibe. Seine Mundwinkel zeigten nach unten, und sein Kinn zitterte leicht. Er blinzelte ein paarmal und wischte sich die Tränen in einer blitzschnellen Bewegung mit dem Handrücken weg, damit Jim sie nicht sah. Jim ließ den Motor an und fuhr weg von Emils Haus, in dem Lukas gemeinsam mit anderen Jungs aus dem Kindergarten Emils fünften Geburtstag gefeiert hatte.
»Warum? Hast du dich heute mit ihm gestritten?«
»Ja, der ist richtig blöd!«
Jim bog auf den Nordre Strandvej in Richtung Ålsgårde ein. Der Motor brummte willig, als er Gas gab.
»Was ist denn passiert?«
»Er hat mir das Auto weggenommen, mit dem ich gespielt habe. Er hat gesagt, das wär seins und dass ich nicht damit spielen darf. Ich hab’s ihm wieder weggenommen, und da hat er mich gestoßen, und ich hab ihm in den Bauch geboxt.«
Jim warf kurz einen Blick auf Lukas, der mit verbissener Miene dasaß.
»Aber dann hat er den Ärger doch selbst gesucht, Junior. Vielleicht lernt er daraus, dass er dir nichts wegnehmen darf.«
»Aber seine Mama hat mich ganz doll ausgeschimpft.« Seine Mundwinkel zogen sich wieder nach unten und zitterten bedrohlich.
»Ja, aber die ist doch eine Frau, nicht wahr?« Jim lächelte Lukas an und blinzelte ihm zu. »Die hat doch keine Ahnung von uns Männern?«
Die Aussicht, dass sein Junge von klein auf in östrogenweiche Watte gepackt wurde, machte ihm ernsthaft Sorgen. In allen Tagesstätten und Schulen wimmelte es nur so von Frauen und schrecklich soften Männern. Grund genug, dem Jungen auf seine etwas unorthodoxe Weise ein paar männliche Seiten anzuerziehen.
Lukas schüttelte verschwörerisch den Kopf und versuchte, das Blinzeln seines Vaters zu erwidern, doch stattdessen faltete sich sein kleines Gesicht seltsam zusammen. Jim musste lachen und fuhr dem Jungen mit der Hand durchs Haar.
»Wir fahren jetzt zu Mama ins Geschäft, dann kannst du mit ihr nach Hause fahren. Ich muss noch ein bisschen arbeiten.«
*
Hinter der lärmenden Verkehrsader der Falkoner Allé, die sich quer durch Frederiksberg zog, verbarg sich ein ruhiges Wohngebiet. Die Adresse, die ihnen genannt worden war, gehörte zu einem älteren Mietshaus. Im dritten Stock lag Maja Jensens Eckwohnung. Jens Høgh klingelte, erhielt aber keine Antwort. Er wartete einen Augenblick und versuchte es noch einmal.
»Schlüsseldienst?«, fragte Katrine.
Jens nickte und rief an. »Schauen wir mal, ob wir in der Zwischenzeit nicht wenigstens ins Treppenhaus kommen«, sagte er und klingelte bei Maja Jensens Nachbar. Auch dort schien niemand zu Hause zu sein. Er klingelte beim Mieter unter ihr, und gleich darauf krächzte eine ältere
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