Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
Gentz und Schneider festgelegt, dass es so etwas bei Zalando nicht geben solle, um sich positiv von den Konkurrenten abzuheben. Das hat ja auch gut funktioniert, wenn man die Zahl der Bestellungen als Grundlage nimmt. Aber das Unternehmen verzichtet damit auf Einnahmen, die nach Ansicht von Praktikern genau den Unterschied zwischen roten und schwarzen Zahlen im Onlinegeschäft ausmachen können. Doch das Unternehmen kann nicht mehr zurück: »Wenn Zalando eine Versandkostenpauschale einführen würde, wären sie teurer als der stationäre Handel. Und dann würde die Zahl der Zalando-Kunden von einem Tag auf den anderen deutlich zurückgehen. So sexy das Geschäftsmodell jetzt auch wirken mag, so schnell wäre es dann vorbei mit ihm. Die Kunden kämen wieder in die Läden, wo sie auch Beratung erhalten«, ist sich Christian Händle sicher, der mit seiner Hamm-RenoGroup solch klassische Läden betreibt.
Der Mann hat seine Erfahrungen gemacht: Reno war Mitte der Achtzigerjahre des zwanzigsten Jahrhunderts im Versandhandel mit Schuhen gut vertreten. Zwischen 350 und 400 Millionen DM lag der Umsatz, sagt Händle. »Aber wir hatten wahnsinnig hohe Retouren und fuhren ab Mitte der neunziger Jahre Verluste ein, so dass der Versandhandel mit Schuhen nach 1997 eingestellt wurde.«
Und noch etwas könnte das weitere Wachstum bedrohen: Der jugendliche Problemlösungs-Optimismus, der das Unternehmen groß gemacht hat, droht selber zum Problem zu werden: »Es besteht die Gefahr, dass Zalando zu viel gleichzeitig anpackt«, sagt Berater Hafner. »Ich frage mich, ob sieben neue Länder, Emeza und Eigenmarken nicht zu viel sind. Dann besteht die Gefahr, dass sie sich überfordern. Es würde mich wundern, wenn Zalando für all diese Projekte ausreichend Managementkapazitäten hätte. Auch Zalando braucht für all das einen soliden Unterbau. Auf einer Woge der Euphorie zu reiten, ist auf mittlere Sicht zu wenig.«
Die Managementkapazitäten sind angesichts der Vielzahl von Entscheidungen tatsächlich sehr knapp. Das ist ein Risiko, insbesondere für den Fall, dass Unvorhergesehenes passiert. Und man sieht an Beispielen wie den Anlaufschwierigkeiten im Lager Erfurt und der damit verbundenen zeitweiligen Lieferverzögerungen, dass auch der Zalando-Spirit keine Berge versetzt. Vor allem nicht mehrere gleichzeitig.
Unter dem Strich jedoch dürfte es nur eine Frage der Zeit sein, wann Zalando in seinen Kernmärkten Deutschland, Österreich, Schweiz und dann auch mit dem gesamten Unternehmen in die schwarzen Zahlen kommt. Viel spannender wird allerdings die Frage, welche Gewinnmargen das Unternehmen erzielen kann und ob die ausreichen, um weiterhin dauerhaft für genügend Investoren attraktiv zu sein. Für Investor Haub ist die Sache klar: »Dass man Online kein Geld verdienen kann, stimmt nicht. Auch dass man mit Zalando nur fünf Prozent Rendite erzielen kann, ist überhaupt nicht ausgemacht. Warum kann es nicht mehr sein?« Auch der Optimismus von Ritter ist nach oben hin offen: »Wir können allen Zweiflern beweisen, dass es doch geht. Und dass Zalando ein Unternehmen ist, auf das man stolz sein kann. Wir sind sicher, dass die Ergebnisse der kommenden Jahre für sich sprechen werden. Zalando ist wahrscheinlich die erste Idee in Deutschland, mit der man zeigen kann, dass wir auch hier eine internationale Erfolgsstory erreichen können. In den USA ist man da schon viel weiter. «Langfristig und »nachhaltig« sei die Entwicklung von Zalando angelegt, sagen die Gründer gerne gegen die Spekulation, die Investoren würden nur auf einen schnellen Verkauf des Unternehmens zu einem hohen Preis, den sogenannten »Exit«, hinarbeiten. Doch nach dem Ausstieg fehle der Firma, wie ja tatsächlich schon mehrfach in Samwers Reich geschehen, Geld und Perspektive. Die Zalando-Party sei somit vorbei.
David Schneider stört dabei schon das Wort »Exit«. »Das klingt so nach Ende, aber wir arbeiten an der Zukunft.«
Je länger Zalando eine private company ist, desto besser sei es für die Entwicklung. Grundlegende Entscheidungen der vergangenen zwei Jahre wären wohl nicht so gefallen, wenn Zalando an der Börse wäre. Etwa jene, die Logistik immer mehr in eigener Regie zu übernehmen. Ritter: »Kurzfristig orientierte Anleger hätten so eine langfristig erfolgreiche Investituion wie die Logistikzentren in Erfurt oder Mönchengladbach wohl nicht mitgemacht. So ein Großprojekt dauert ja nach dem Beschluss des Baus zwei Jahre, bis es perfekt läuft,
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