Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern (German Edition)
steigendem Umsatz unsere Produktivität steigern konnten und nicht umgekehrt«, sagt Finanzchef Jan Kemper, einst Investmentbanker bei Morgan Stanley. »Es ist immer noch ein Minus, aber die Tendenz ist eindeutig. Das dauert halt, da sind wir ganz locker, das macht uns nicht nervös.«
Und dann erklärt Rubin Ritter, mit welchen Stellhebeln er aus Zalando in den kommenden Jahren einen Goldesel machen will:
Stellhebel Logistik: »Da mussten wir am Anfang dem Dienstleister pro Paket einen Betrag zahlen. Diese Kosten wären proportional zum Umsatz gestiegen. Deshalb haben wir uns sehr bald dazu entschlossen, die Logistik selbst zu machen. Und da gibt es die festen Paket-Preise nicht mehr, da können wir von Effizienzverbesserungen sofort profitieren.« Heißt: Steigender Umsatz bedeutet überproportional bessere Ergebnisse.
Stellhebel Marketingkosten: »Am Anfang mussten wir praktisch neue Kunden ›kaufen‹ – durch Werbung, Gutscheinaktionen und so weiter auf uns aufmerksam machen. Inzwischen haben wir einen so großen Anteil an Wiederbestellern, dass die Marketingkosten deutlich sinken könnten. Wir haben in Deutschland, Österreich und der Schweiz (»DACH«) bereits deutlich mehr Stammkunden als Neukunden. Das ist eine Erklärung dafür, dass wir dort in dreistelligen Millionenbeträgen gewachsen sind und den Umsatz verdoppelt haben und gleichzeitig unsere Ergebnisse so weit verbessert haben, dass wir erstmals schwarze Zahlen in DACH geschrieben haben. Und das trotz der Investitionen.« Heißt: immer mehr Bestandskunden machen immer weniger Marketing- und Werbe-Aufwendungen erforderlich.
Stellhebel sonstige Fixkosten: Etwa für das Personal im Lager. »Die müssen wir erst mal aufbauen und vorhalten. Zum Beispiel die IT und deren Kosten wachsen längst nicht proportional mit dem Umsatz mit, wenn wir etwa in neue Länder gehen. Das muss man bei einer Umsatzverdoppelung zwar aufstocken, muss aber nicht annähernd verdoppeln.« Heißt: Je größer das Geschäft wird, desto günstiger wird für Zalando jede einzelne Bestellung. Wenn Zalando es zudem noch schafft, die Retourenquote zu senken, wirkt sich auch das positiv auf das Ergebnis aus.
Der heimliche Stellhebel: Ein Werkzeug erwähnt Ritter selbstverständlich nicht, das mit wachsender Marktmacht Zalandos immer wirkungsvoller wird: Zalando könnte seine Rendite verbessern, indem es die in der Branche üblichen Folterinstrumente auspackt. Dabei verlangt der Händler von seinen Lieferanten ziemlich freundlich, aber bestimmt günstigere Einkaufskonditionen, also Rabatte. Und welche Marke, die hohe – gar zweistellige – Prozentanteile ihres Umsatzes über Zalando erzielt, könnte sich einer solchen »Bitte« gegenüber unbeeindruckt zeigen? Die Waffen sind bei diesem Kampf ungleich verteilt: Zalando würde es im Zweifelsfall nicht allzu wehtun, eine oder zwei bei den Preisverhandlungen allzu störrische Marken einfach von der Seite zu werfen und nicht mehr anzubieten. Der Hersteller allerdings, dem dadurch praktisch über Nacht einer seiner größten Kunden abhandenkommen würde, hätte ein richtiges Problem. Unzählige Male ist dieses Spielchen in der Konsumbranche schon durchexerziert worden – meistens hat am Ende der Händler bekommen, was er wollte. Nämlich günstigere Einkaufspreise, die sich positiv auf das Ergebnis niederschlagen würden. Es wäre erstaunlich, wenn Zalando auf Dauer auf diese nicht sehr elegante, aber wirkungsvolle Methode zur Verbesserung der Rendite verzichten würde.
Das Management will Zalando zudem stärker als Modeevent im Netz und weniger als schlichten Onlinehändler positionieren, was weiteres Wachstum in höhere Renditeregionen schaffen könnte. Einen ähnlichen Effekt könnte die stärkere Hinwendung zu männlichen Kunden haben: Denn die Jungs produzieren weniger Retouren und damit Kosten als die Mädels. Die verstärkte Einrichtung von Marktplätzen dürfte ebenfalls zu einem besseren Ergebnis beitragen: Dabei können andere Anbieter Warengruppen, bei denen Zalando bisher nicht besser als durchschnittlich ist, über die Zalando-Seite präsentieren. Den Umsatz erzielt das Fremdunternehmen, Zalando kassiert für jede Bestellung eine Provision und vervollständigt nach außen ohne große Kosten sein Sortiment. Amazon, ebay und andere machen es nicht anders.
Eine andere Geldquelle allerdings hat sich Zalando selber verschlossen: die Beteiligung der Kundschaft an den Retouren- und Versandkosten. Vom ersten Tag an hatten
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