Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
zeitlich begrenzte Sondersituation, ein Umbruch,
eine Zäsur, die man durchaus mit den wirtschaftlichen Folgen großer politischer
Neuordnungen vergleichen kann, etwa jenen nach dem Ende des
Ost-West-Konfliktes. Und solche Phasen bringen in neuen Märkten oft
Wachstumsstorys hervor, die in normalen Zeiten undenkbar sind. Warum nicht auch
hier und jetzt? Derzeit scheint das berühmte window of opportunities, dieses
Fenster der Gelegenheiten, ganz weit geöffnet zu sein. Und die Samwers wollen
möglichst viele der Gelegenheiten nutzen. Wer weiß, wann sich das Fenster
wieder schließt?
Selbst wenn nur ein Viertel oder gar ein Zehntel der jungen
Fließband-Firmen die Renditeversprechen auf Dauer einigermaßen erfüllen
sollten, ist das für die Samwers und ihre Investoren immer noch ein
Riesengeschäft. Und bisher haben die drei Jungs immer noch genügend Reiche
gefunden, die ein paar oder ganz viele Millionen in die Aussicht investieren,
an einem Unternehmen beteiligt zu sein, dass vielleicht einmal den Konsum eines
ganzen Kontinents maßgeblich kontrollieren könnte. Oder sogar mehrerer
Kontinente, falls sich die Zalandos dieser Welt vereinen sollten zu einer
Internationale des internetgestützten Konsum-Kapitalismus. So unwahrscheinlich
ist das nicht. Denn, so Chefideologe Oliver Samwer, »am Ende ist die Welt im
E-Commerce überall dieselbe.«
»Samwer postiert seine Schiffe in all diesen künftigen
Wachstums-Ländern, sehr konsequent und zumeist erfolgreich«, sagt einer aus
seinem Imperium.
Dass Rocket seine Raketen an so vielen Stellen der Welt
gleichzeitig startet, begründet Samwer auch mit der Fähigkeit seiner
Eingreiftruppen, jedes Mal weniger Zeit zu benötigen, um in einem neuen Land
einen neuen Onlinestore zu installieren und auf Touren zu bringen. Weil der
ohnehin schon riesige Erfahrungsschatz seiner Leute immer größer wird: »Die
ersten zwölf Monate des Wachstums von Zalando waren relativ lahm. Wir wussten
noch nicht, ob sich Schuhe Online verkaufen lassen. Wir hatten wenig
Geldmittel, wir hatten wenig Erfahrung, wenig Vertrauen von Investoren. Die
nächste Generation von Gründungen in Brasilien oder Russland ging viel
schneller, weil die Lernkurve hoch ging, wir mehr Kapital einsetzen konnten und
wussten, wie das Modell funktioniert. Die nächste Generation in Indien ging noch
schneller. Und wenn wir Afrika noch machen, geht es noch viel schneller.«
Samwers Super-Speed-Skalierungen …
Um deutlich zu machen, warum die Zalando-Brüder und — Schwestern
viele Tausende Kilometer von Deutschland entfernt noch viel erfolgreicher sein werden
als das Original – oder besser: als der Ur-Klon –, erklärt der Macher dem
Publikum kurz die gemeinhin übliche Evolution der Handelsformate in Ländern,
die sich entwickeln: erst gibt es die Tante-Emma-Läden, dann die Warenhäuser,
dann die Fachhandelsmärkte und schließlich den E-Commerce. So war es zumindest
in Europa oder den USA. Aber wegen des Internets werde es in den aufstrebenden
Riesenmärkten dieses Mal ganz anders sein: »Gibt es in Indien, außer in Dehli
und Mumbai, Warenhäuser?« Nein, gebe es nicht. »Da ist alles wie bei uns
vielleicht 1940. Was heißt das für uns? Meine Konkurrenz sind die kleinen Läden
und die indischen Motorcyleshops.« Es würden also dieses Mal in der Evolution
zwei Handelsstufen übersprungen: vom wet market unter freiem Himmel direkt in
den Web-Market am PC oder Smartphone. Und genau das will er nutzen, wenn er
jetzt seine Onlinekaufhäuser installiert: »Da wird der Anteil des E-Commerce
noch viel höher sein als bei uns. Und das Ganze geht noch viel schneller. Die
Leute müssen auf Dauer im E-Commerce einkaufen.« Und zwar nicht, wie etwa in
Europa oder den USA, weil es so bequem ist, sondern »weil es anders gar nicht
geht. Schlicht wegen des Zugangs zur Ware.« Weil es in der Breite des
Sortimentes gar nichts anders gebe in weiten Teilen Indien und vielen anderen
Schwellenländern für Leute die Geld haben und es ausgeben möchten. Und dann
komme noch der Rückenwind des makroökonomischen Aufschwungs in diesen Regionen
den Zalando-Geschwistern zur Hilfe. »Allerschönster Rückenwind. Den gibt es
gratis dazu.«
Es klingt so einfach, wenn man den Ober-Macher erzählen hört,
was er für sein Erfolgsrezept hält. Aber manchmal wähnt man sich ein wenig in
einer Rheumadeckenverkaufsveranstaltung. Wenn Samwer über die Perspektiven des
Internethandels und seine Investments redet, werden sich viele Zuhörer
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