Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
Zeit mit mühsamen
Wiederbelebungsversuchen. Lieber überlassen sie dem Management das Unternehmen
und gründen stattdessen etwas Neues.
Inzwischen zeichnet sich allerdings ab, dass die Brüder statt
Breite mehr auf Spitze setzen wollen. Und nicht mehr ausschließlich auf
Gründungs-Quickies, sondern eher auf langfristige Beziehungen, jedenfalls öfter
als zuletzt. »Die Samwers sind oft sehr früh aus den Unternehmen wieder
herausgegangen, etwa bei Jamba«, sagt EHI-Wissenschaftler Kai Hudetz, »bisher
waren sie nur Copy Cats und haben noch nie ein Geschäftsmodell bis in einen
ernst zu nehmenden Reifegrad begleitet.«
Ist Zalando das prominenteste Beispiel für den neuen Kurs der
Brüder? In keinem Unternehmen jedenfalls waren sie länger engagiert als hier.
Mit der Langfrist-Konzeption lässt sich jedenfalls prima begründen, warum
Zalando noch immer keinen Gewinn erzielt. Dafür zitiert Samwer sogar den Gründer
der Onlinehandels-Ikone Amazon: »Jeff Bezos schaut auch nicht auf den Gewinn
von Amazon 2014. Sondern darauf, dass Amazon im Jahr 2025 das erfolgreichste
Unternehmen der Welt ist.« Selbstverständlich könne man dafür sorgen, mit einem
Onlinehändler schnell Geld zu verdienen, sagt der schmächtige Mann auf der
Tengelmann-Bühne. »Dann würde ich aber wahnsinnig viel Marktbedeutung abgeben.
Der Kunde soll nicht nur ein Jahr bei mir kaufen«, er solle stattdessen ein
»Lifetime Consumer« werden, der ein Leben lang zum Shoppen auf die
Zalando-Seite geht. Die Akquisitionskosten für einen neuen Kunden den Umsätzen
und Erträgen gegenüberzustellen, die ein solcher treuer Stammkunde dem Händler
in vielen Jahrzehnten einbringt, »das ist eine Superrechnung«.
Mit anderen Worten: Zalando verzichtet jetzt auf Gewinne und
investiert stattdessen weiter, um in Zukunft umso mehr zu verdienen. Die
Argumentation entbehrt nicht einer gewissen Logik. Tatsächlich verfährt Amazon
ja nicht anders: Das Urmeter der Onlinehändler begnügt sich weiterhin mit
winzigen Gewinnmargen, steckt die hereinkommenden Kundenmilliarden stattdessen
sofort wieder in die Expansion des Unternehmens.
Auch bei dieser Strategie also kopieren die Samwers ein Vorbild
aus den USA, was ja nicht verboten ist. Zudem aber hat diese
»Wir-investieren-jetzt-für-die-Zukunft«-Erklärung der Zalando-Verluste für
ihren Verbreiter den Charme, dass Kritiker nicht jetzt, nicht nächstes und auch
wohl noch nicht übernächstes Jahr beweisen können, dass es nicht funktioniert. Man
kann diesen Punkt, an dem die Rechnung vielleicht doch noch aufgeht und die
Gewinne endlich sprudeln, immer weiter nach hinten verschieben. Einen
Zeitpunkt, ab wann Zalando »schwarz« sein wird, haben schließlich weder die
Investoren noch die Geschäftsführer jemals genannt. Das Ganze ließe sich so
lange spielen, bis dem Unternehmen das Geld ausgeht. Und was schert einen
Himmelsstürmer jetzt, was in drei oder vier Jahren sein wird?
An Zalando könnten die Samwers also beweisen, dass sie entgegen
ihrem schlechten Ruf durchaus für den langfristigen Erfolg ihrer Unternehmen
sorgen können und dass ihre ganz wilde Sturm und Drang-Phase vorbei ist. Das
Thema »Zalando-Exit« erklären sie bei Rocket Internet wie beim Onlinehändler
selber denn auch stets zum Nicht-Thema – jedenfalls für absehbare Zeit. Diese
Diskussion will dort niemand haben.
Ohne Zalando würde den Samwers allerdings tatsächlich etwas
fehlen. Denn der Berliner Versender ist der Brüder Liebling. Zalando hat schon
früh die besten Ressourcen bekommen, etwa beim Personal. Längst wird der
Musterschüler zum Vorbild innerhalb des Firmen-Universums gemacht: Als Zalando
im Februar 2013 zwar immer noch rote Zahlen, im Kernmarkt
Deutschland/Österreich/Schweiz aber erstmals schwarze Zahlen vermelden konnte,
forderte Oliver Samwer voller Euphorie die Führungskräfte der anderen
Beteiligungen per E-Mail auf: »We all should become Zalandos!«
Oliver Samwer und die Langfristigkeit: »Der globale E-Commerce
wächst noch mindestens 20 Jahre lang«, prophezeit er in Mülheim. Und sagt auch
gleich, wie die Brüder gedenken, davon zu profitieren: »Um ein ganz
langfristiges Unternehmen im Internet aufzubauen, müssen wir uns öffnen. Und
eine Struktur schaffen mit acht Brüdern oder zwölf oder 25 oder wie bei Ali
Babas Räubertruppe.« Im Märchen waren es 40! Nur um keine Missverständnisse
aufkommen zu lassen: Die Gleichsetzung von Rocket und Räubertruppe stammt nicht
von irgendeinem Miesmacher,
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