Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
der Zustellbarkeit von Paketen gibt, was für einen
Versandhändler nun gemeinhin tatsächlich ein grundlegendes Problem ist. Aber
wichtiger als dieses Problem ist in der Rocket-Welt das Ziel, dass die
Samwerschen Expeditionscorps schon da sind, wenn die Konkurrenz kommt – der
Rest findet sich. Und wenn es keine vernünftige Infrastruktur gibt, dann
bastelt man sie sich eben. Wie in Russland. »Dort machen wir 40 Prozent der
Lieferungen mit unserer eigenen Trucks auf den letzten Meilen zum Kunden. In
Nigeria haben wir eigene Motorcyles, in Ho Chi Minh City in Vietnam eigene
Bicycles. Was ist denn daran so schwierig? Warum kann das nur DHL? Warum können
wir das nicht selbst? Was ist so schwierig daran, mit einem Lastwagen in der
Stadt herumzufahren?« Er sieht in dieser Grundlagenarbeit auf einem jungen
Markt sogar strategische Vorteile für die Unternehmen, die sie auf sich nehmen:
»Man muss mal überlegen, was für eine sichere Position das in einem Markt gibt,
wenn man so eine Lastwagenflotte hat«.
Der LKW-Fahrer kassiert in Ländern wie Russland oder Nigeria
bei der Auslieferung des Schuh- oder Klamottenpaketes gleich noch die Rechnung
oder nimmt die Retouren wieder mit. »Cash is king.« In Afrika spendiert der
Onlinehändler den Fahrern ein Frühstück, damit sie einigermaßen pünktlich zur
Arbeit kommen. Und wenn mal einer durchbrennt mit dem Geld, sei das auch zu
verschmerzen. Immerhin nehmen die Chefs ihren Fahrern das Geld aus
Sicherheitsgründen in Russland zweimal und in Nigeria sogar dreimal pro Tag ab.
Geht also alles irgendwie, man muss es nur machen.
Grenzen scheint es für Samwer auf diesem Planeten nicht zu
geben: »Und wenn in Nordkorea die Mauer fällt, machen wir da die Infrastruktur.
Vielleicht auch noch Breitbandkabel. Dann kontrollieren wir auch noch den
Traffic (im Internet). Dann kann keiner mehr woanders hingehen.« Diese Aussicht
und Allmachtsfantasien von Anführern sind sie ja gewohnt in Nordkorea.
Auch daheim in Deutschland kann es laut Samwer gar nicht anders
sein, als dass der Onlinehandel die Kultur der klassischen Läden ablösen wird.
»Was ist das Schrecklichste im Offlinehandel?«, fragt er und gibt gleich die
Antwort mit dem Vorschlaghammer: »Die Verkäufer! 90 Prozent aller Verkäufer
sind doch total schlimm.« Das Publikum ist begeistert von solchen Sätzen. Und
was sind weitere Gründe dafür, dass einem die Lust auf den Einkauf in klassischen
Geschäften abhanden kommen könnte? »Die haben nicht das Produkt, nicht die
Auswahl, nicht die Farbe und nicht die Größe, die ich will.« Wenn Samwer aber
in einem seiner Onlineshops »hundert Mal so viele Produkte habe, ist die
Wahrscheinlichkeit ungleich höher, dass Sie bei mir kaufen. Weil ich mutmaßlich
das habe, was Sie wollen. Das ist eine ganz einfache mathematische Formel. In
der Innenstadt kann ich solche Auswahl nicht bieten, weil ich die Mieten dafür
nicht zahlen könnte.«
Auch den Laden-Vorteil des Sofort-mitnehmen-könnens der Ware
will Samwer nur noch vorübergehend gelten lassen: »In zwei, drei oder vier
Jahren ist überall same day delivery angesagt«, also die Lieferung eines
Produktes noch am Tag der Bestellung. »In Sydney liefern wir heute schon in
drei Stunden aus. Warum soll ich denn dann noch in die Stadt fahren? Das
Reinfahren, das Parken, das dauert doch viel länger.« Amazon rücke bereits
jetzt mit seinen Logistikzentren immer näher an die großen Ballungsräume heran
– wegen des kommenden same day delivery. »Die Grenzen verschwinden. E-commerce
wins. Crosschannel-Handel, oder wie heißt das? Das kann man vergessen«,
behauptet Samwer – im Gegensatz zum Großteil der Branche, die im intelligent
und für den Kunden bequem verlinkten Nebeneinander von Onlinestore und
Ladengeschäft, also »Multichannel«, die Zukunft sieht. Aber Samwers betreiben
ja keine Ladengeschäfte, mit denen man ihre Onlinestores verlinken könnte.
Einige klassische Läden mit altmodischen Elementen wie Wänden,
Türen, Regalen und Waren zum Anfassen immerhin lässt Samwer in seinem
Zukunftsbild der Branche noch geöffnet: »Die absolut besten
Offline-Handelsketten werden überleben, klar. Aber die ganzen anderen 80
Prozent …« – den Satz spricht Samwer nicht zu Ende – doch faktisch spricht er
mehr als drei von vier Läden die Überlebensfähigkeit ab. Im Handel wechsele
halt mit jedem Evolutionsschub die Führung, und das sieht er als seine Chance:
Wer den Markt in der ersten Entwicklungsstufe dominiert
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