Schrei vor Glück: Zalando oder shoppen gehen war gestern
nach
einer Viertelstunde sagen: Da will ich dabei sein! Erfolg im Onlinehandel geht
danach offenbar so: »Ich suche mir erst mal einen dicken Markt. Ich gehe nicht
in die Schweiz«, sagt Samwer, obwohl Zalando inzwischen auch in der kleinen
Schweiz aktiv ist. Aber anderswo in der Welt sind die Wachstumshebel noch sehr
viel attraktiver: »559 Millionen Verbraucher in Südostasien – das scheint zu
reichen. 1,2 Milliarden Inder, 142 Millionen reiche Russen, das reicht. Das
bringt eine Superwachstumsrate. Alles andere ist Schnecken-E-Commerce.« Basta!
Manchmal schlägt Samwers einpeitschender Optimismus in Arroganz
und Überheblichkeit um. Etwa wenn er Sätze wie diesen über C&A sagt, das
schon seit vielen Jahren im Wachstumsmarkt Brasilien erfolgreich ist: »In
Deutschland haben wir C&A platt gemacht. Das können wir doch in Brasilien
auch. Warum nicht auch dort?« Der Beweis, dass Zalando C&A in Deutschland
platt gemacht hat, muss allerdings erst noch erbracht werden. C&A ist noch
da in den meisten deutschen Städten und wächst sogar.
Auf Samwers Glaskugel liegt an diesem Vormittag kein Hauch
eines Zweifels. Der Sieg scheint sicher: »Wenn man sieht, wie viele Trillionen
Einkäufe Online passieren, dann muss einem schnell klar sein, wie groß so ein
Amazon noch wird. Und wie groß so ein Zalando noch wird. Das wird noch ziemlich
groß. Da muss man nur die Kurve weiter malen«, sagt er mit leicht gepresster
Stimme. Man müsse einfach den Glauben daran haben. Hier klingt Olli Samwer
wieder fast wie Olli Kahn: »Weitermachen, immer weitermachen …« war einer der
Standardsprüche des extrem ehrgeizigen früheren Fußball-Nationaltorhüters, der
gegnerischen Stürmern auch schon mal ins Ohr biss, um sie zu beeindrucken. Der
Satz könnte auch von Samwer stammen – wobei er ihn wahrscheinlich leicht
variieren würde: Skalieren, immer weiter skalieren! Und die Sache mit dem Ohr?
Nach der »Blitzkrieg«-Mail sollte man wohl besser für nichts garantieren.
Überhaupt Ehrgeiz: »Unser Vorbild ist nicht Zappos, sondern
Zara und H&M, Amazon und Wal-Mart. Ikea – das sind die Vorbilder. Das
Vorbild muss stimmen«, das sagt nun wieder Oli Samwer. Denn Zappos ist nur in
Amerika wirklich groß, die wirklichen Vorbilder dagegen mindestens auf mehreren
Kontinenten, wenn nicht gleich auf der ganzen Welt. »Ob das dann genau so groß
wird wie Ikea, ist doch völlig egal.« Hauptsache »Tendenz: groß«.
Klamottenhändler und Elektronikhändler und Möbelhändler und
Büroausstattungshändler und vielleicht irgendwann auch noch Lebensmittelhändler
in Europa, in Asien, in Südamerika und in Afrika, alle kontrolliert von Rocket
Internet und größtenteils finanziert von externen Investoren – das wäre
wahrlich groß. Sehr groß. Wahrscheinlich größer als jeder andere. Auch größer
als Amazon oder die bisherige Nummer eins der Handels-Welt, Wal-Mart.
Bedenkenträger nerven einen, der in diesen Dimensionen denkt,
auf dem Weg ganz nach oben nur. Und das sagt Oliver Samwer deutlich, ohne
Respekt vor großen Namen: »Man muss nur die FAZ aufschlagen, um kein
Unternehmer zu werden!« Wieder hat das Publikum, größtenteils Unternehmer, was
zu lachen. Denn die Zeitung hatte geschrieben, in Mexiko verlangsame sich das Wachstum,
»da läuft kein Internet. Das ist genau so ein Blödsinn wie die Vermutung, in
Saudi Arabien funktioniere keine Dating-Seite. Die funktioniert überall. Sex
gibt’s überall. Überall gibt es alles. Und E-Commerce funktioniert überall.«
Auch die meisten Wachstumsstatistiken könne man »in die Tonne
werfen«, denn die würden etwa das Wachstum von Zalando und das von Görtz zu
einem unbrauchbare Durchschnittswert verrechnen.« Tatsächlich fährt da aber
einer mit 300 Prozent Wachstum vorbei«. Also: die Statistik sei völlig
unbrauchbar. Gleiches gelte für die Berechnung des globalen
Wirtschaftswachstums, das die Stärke etwa Chinas ungerechtfertigt glätte. »Man
muss sich die richtige Benchmark suchen«, ärgert sich Zahlen-Fan Samwer. Und
dann bekommen auch noch die Meckis ihr Fett weg. Die Berater von McKinsey
hatten gewarnt, mit Zalando-Verwandten in die BRIC-Staaten zu gehen, weil es
dort zumeist keine Logistik- und keine Bezahl-Infrastruktur gibt. »Kompletter
Fehlglaube«, schimpft Samwer, »wenn es etwas nicht gebe, heißt das was für den
Deutschen? Er baut es selbst! Bob the Builder. Warum muss ich warten?«
Deshalb sind sie also nach Russland gegangen, obwohl es dort
große Defizite bei
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