Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
„Lass mich zuerst duschen, ja?“
„Ich könnte mitkommen, deine Dusche ist gross genug für zwei.“ Er liess sie nicht los, sein Atem ging schneller.
Sie kannte das Spiel, aber heute hatte sie keine Lust. „Bitte Steff, ich hatte einen harten Tag und bin total verschwitzt, ich möchte jetzt wirklich nur alleine duschen.“
„Du magst es doch, wenn ich dich einseife, überall, am ganzen Körper“, murmelte er und vergrub sein Gesicht in ihren Haaren, während seine Hände ihren Hintern packten.
Genug. „Steff.“ Ihre Stimme war jetzt eiskalt. „Welchen Teil von 'ich will allein duschen' verstehst du nicht?“
Er wich zurück und hob seine Hände in einer beschwichtigenden Geste. „Okay, okay, ist ja gut. Ich wollte dich nicht bedrängen.“
Wortlos ging sie ins Bad und schloss die Tür ab. Sie drehte den Hahn voll auf und liess das heisse Wasser minutenlang auf Nacken und Rücken prasseln. Es war, als ob sie gerade eben aus einem Traum erwacht sei: der Steff, den sie zu kennen glaubte, war nichts als eine Illusion. Vielleicht durch den Vergleich mit Andrew Ehrlicher, vielleicht aber auch durch die Szene vorhin wurde das Bild plötzlich scharf. Nicht ein ironischer und selbstbewusster, gebildeter und wortgewandter Typ sass da draussen in ihrer Wohnung, sondern ein selbstverliebter, grober und unsensibler Zyniker, der sich aus purem Eigeninteresse an sie herangemacht hatte, um sie mit seinem Gelaber einzuseifen und so zu Informationen zu kommen. Wie hatte sie nur so blind sein können? Blind und blond bist du, sagte sie zu ihrem Spiegelbild, aber wenigstens wachst du nach kurzer Zeit auf.
Während sie sich abtrocknete, eincremte und die schulterlangen Haare föhnte, plante sie ihr Vorgehen. Es würde nicht leicht werden, Steff Schwager freundlich aber eindeutig aus ihrem Privatleben zu entfernen, er würde argumentieren, betteln, im Extremfall vielleicht sogar zuschlagen. Aber als Judoka war sie es gewohnt, die Energie eines Angriffs für die eigene Verteidigung zu nutzen, mitzugehen statt zu blockieren. Bis vor die Haustüre, wenn nötig.
5 Dienstag
Cécile Dumont prüfte ihr dezentes Makeup im Spiegel und trug noch ein bisschen mehr Lippenstift auf. Sie hatte in einer halben Stunde eine Sitzung mit dem Polizeikommandanten, und sie wusste genau, dass es einmal mehr ums Markieren des Reviers gehen würde, darum, wer wann das Sagen hatte. Die Strafverfolgungsbehörden des Kantons waren im Jahr zuvor neu organisiert worden, was natürlicherweise zu Unsicherheit, Verwirrung und auch zu Gerangel um Macht führte. Die Zusammenarbeit zwischen der Polizei und der neuen Staatsanwaltschaft war zwar auf dem Papier definiert, und die Organigramme hingen an den Wänden, aber im täglichen Leben mussten sich die Ermittler an neue Abläufe gewöhnen und an Ansprechpartner, die sich ernsthaft mit ihrer Aufgabe auseinandersetzten statt wie bisher nur zu nicken. Der Kommandant befürchtete, die Freiheit seiner Truppe könnte eingeschränkt werden, und er wollte sicher stellen, dass Cécile Dumont und ihre Kolleginnen und Kollegen die Gesetze und Verordnungen nicht zu buchstabengetreu interpretierten.
Vor dieser Konfrontation hatte die Juristin keine Bange. Sie wusste, dass sie wegen ihrer Körpergrösse unterschätzt wurde, und das war ihr oft ganz recht. Mächtige Menschen fühlten sich in ihrer Gegenwart nicht bedroht und benahmen sich gönnerhaft, manchmal sogar grosszügig. Man machte ihr Zugeständnisse, weil man nicht davon ausging, dass sie den Spielraum nutzen würde. So kam sie im Grunde immer zu den erwünschten Verhandlungsergebnissen, und manch einer wunderte sich später, warum er dieser Frau nicht engere Grenzen gesetzt hatte.
Ihr Telefon klingelte. Peter Pfister bedankte sich für die Unterschrift von gestern, die unterdrückten Nummern seien schon gefaxt worden. „Jetzt haben wir aber das Problem, dass eine der Nummern, von denen aus sowohl die Praxis von Beniak wie auch der Privatanschluss von Bär angerufen wurde, ein unregistriertes Prepaid-Handy ist. Es handelt sich um den letzten Anrufer vor Bärs Tod, und deshalb brauchen wir den Namen. Könnten Sie der Swisscom ganz schnell eine Bestätigung schicken, bitte?“
„Ich bin auf dem Weg in eine Sitzung, Herr Pfister. Ich komme nachher bei Ihnen vorbei oder rufe Sie an, wir müssen das diskutieren. Bis dann.“ So einfach geht es nicht, Herr Pfister, dachte sie, es gibt gute Gründe, warum jemand sein Telefon nicht registriert, und diese
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