Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
fühle mich sonst so alt, weisst du.“
Am späten Abend, als Nick und Marina von einem kurzen Nachtspaziergang zurückkehrten, fanden sie ein kleines Päckchen vor der Tür. Es enthielt zwei Bücher: einen Gedichtband von Anatole Scheidegger und einen Kriminalroman von Guido Bär. Die Karte, die dabei lag, war aus feinstem Büttenpapier und zeigte oben links, erhaben und in Silber, das Monogramm C. v. O. 'Lesen und vergleichen Sie. Es lohnt sich.'
9 Sonntag
Der Mörder war der Dichter. Auf der Frontseite der Sonntagsausgabe waren nur zehn Zentimeter der rechten Spalte dem Tötungsdelikt gewidmet; der Hauptartikel befasste sich mit der neuen Frisur einer Bundesrätin. Im Innern des Blatts jedoch berichtete Steff Schwager ganzseitig darüber, dass der bekannte Dichter und Schriftsteller Anatole Scheidegger im Zusammenhang mit dem Mord an Guido Bär verhaftet worden sei. Es handle sich beim Motiv für die Tat zwar nicht um Eifersucht im klassischen, sexuellen Sinn, wie vor ein paar Tagen berichtet, aber Eifersucht sei dennoch im Spiel gewesen: auf den Erfolg des Opfers, auf die Tatsache, dass er ein zufriedener Mensch gewesen sei. Missgunst sei eine Geissel der Menschheit; das Gefühl, man sei zu kurz gekommen und verdiene etwas Besseres, vergifte die Existenz und verführe auch angesehene Leute zu undenkbaren Taten. Wir sollten uns wieder mehr den Dingen und Menschen zuwenden, die uns gut tun, dem, was uns Freude macht. Neid und Missgunst sind die grössten Feinde der Freundschaft, der guten Nachbarschaft und sogar des Zusammenhalts von Familien. In Abwandlung eines bekannten Buchtitels ist man fast versucht zu sagen 'Neid essen Seele auf' . In diesem Stil ging es weiter; Schwager füllte die Seite mit philosophischen Gedanken zum Thema. Das Bild in der Mitte zeigte einen entspannten Guido Bär am Tisch in seinem blühenden Garten, daneben Pavel Beniak, der den roten Kater auf dem Arm trug. Letzten Sommer noch eine Idylle, zurück bleibt ein trauernder Witwer. Im letzten Abschnitt fügte der Journalist hinzu, dass man abwarten müsse, ob sich die Neuorganisation der Staatsanwaltschaft positiv auf die Fristen auswirken werde, oder ob man sich wie bisher so lange gedulden muss, dass die ganze Geschichte des Mordes bei Prozessbeginn bereits wieder vergessen ist. Affaire à suivre.
Angela faltete die Zeitung und legte sie zur Seite. Sie machte sich noch einen Espresso und nahm den Brief zur Hand, der am Morgen zusammen mit der Zeitung im Briefkasten gelegen hatte. Ein kleines Wunder war geschehen: Steff entschuldigte sich für sein unangemessenes Verhalten und bat um Verzeihung. Es sei vielleicht keine so gute Idee gewesen, eine Beziehung anzufangen, sie beide wären besser Freunde geblieben. Ob sie bereit wäre, in ein paar Wochen mit ihm ein Glas Wein zu trinken und auf die Freundschaft anzustossen? Er werde die nächsten zwei Monate in Brasilien verbringen, im Atelier des Kuratoriums in Salvador de Bahìa; Anatole Scheidegger sei bekanntlich verhindert, und Herr von Ottenfels habe ihn, Steff, als kurzfristigen Ersatz vorgeschlagen. Vielleicht gelinge es ihm dort endlich, seinen Roman fertig zu schreiben.
Mal sehen, dachte sie, mit Steff kann es vielleicht eine lose Freundschaft geben, aber wir werden uns eher auf der geschäftlichen Ebene bewegen. Das Problem ist nur, dass ich genug Freunde und Kollegen habe; was mir fehlt, ist ein Partner. Einer wie Nick, oder einer wie Andrew, nur jünger. Sie seufzte und stand auf, um sich anzuziehen für das sonntägliche Mittagessen bei ihren Eltern.
Peter Pfister machte seiner Frau den Vorschlag, der Aare entlang nach Rupperswil zu spazieren und dort zu Mittag zu essen.
„Wie kommst du darauf?“ fragte Ruth erstaunt. „Was ist mit deinem Stamm in der Krone?“
„Wir müssen über Spanien reden“, sagte er, „nächste Woche findet meine Abschiedsfeier statt, und dann kommt der Umzug.“ Er zog seine Jacke an und brachte ihr den Regenmantel.
„Das haben wir doch alles längst besprochen, Peter. Was willst du noch?“
„Ich habe manchmal das Gefühl, du seist gar nicht so begeistert von der Idee, nach Las Rosas auszuwandern.“ Er öffnete die Haustür und hielt ihr seine Hand hin. „Komm, beim Spazieren kann man alles offen und ehrlich besprechen. Behauptet wenigstens mein Chef.“
„Ende August wäre gut, dann ist die Renovation ganz sicher abgeschlossen und du wohnst definitiv hier. Wir könnten gleichzeitig Einweihung und Hochzeit feiern.“ Nick stand
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