Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)
Verschwörungstheorien. Aber es stimmt, Guido Bär erhielt trotz mehreren Anträgen nie Geld vom Kuratorium oder aus dem Lotteriefonds. Umso erfolgreicher waren seine Schreibseminare, und ich weiss, dass er nicht am Hungertuch nagte.“
„Ich verstehe. Wenn also jemand von seiner Kunst leben kann, erhält er keine Beiträge.“
Von Ottenfels schüttelte heftig den Kopf. „Nein, Sie dürfen das nicht missverstehen, es gibt keinen Kausalzusammenhang. Ich sage nur, dass man sich um die Existenz von Guido Bär keine Sorgen zu machen brauchte. Er selbst war nicht der Ansicht, dass der Staat verpflichtet sei, ihn zu unterstützen, und er beklagte sich nie, wenn eines seiner Projekte abgelehnt wurde.“
„Und warum wurden sie abgelehnt?“ Nick war verwirrt, er wurde nicht schlau aus den Ausführungen des alten Herrn. Irgend etwas verstand er hier nicht.
„Wenn Sie es genau wissen wollen, müssen Sie mit den heutigen Mitgliedern des Kuratoriums reden. Die Jurorinnen und Juroren des Bereichs Literatur können Ihnen vielleicht weiterhelfen. Schauen Sie, hier sind alle Informationen drin.“ Von Ottenfels ging zielgerichtet zu einem Stapel Papier auf dem Fensterbrett, hob die obersten zehn Zentimeter ab und griff nach einem Prospekt. „Namen, Webseite, alles was Sie brauchen.“
Nick blätterte die Broschüre kurz durch und steckte sie ein. „Danke. Was halten Sie persönlich von der Ablehnung von Bärs Projekten?“
Sein Gesprächspartner wand sich und suchte nach Worten, das spürte Nick. „Sehen Sie, es gibt immer verschiedene Meinungen dazu, was gute Literatur ist und was nicht. Es könnte sein, dass Guido Bärs Romane die Anforderungen der Jury an sprachliche Qualität und Dichte nicht erfüllten. Vielleicht fielen seine Werke ihrer Ansicht nach in die Kategorie Unterhaltungsliteratur, die nicht als förderungswürdig gilt, zumindest nicht im deutschsprachigen Raum. Die Briten und Amerikaner denken übrigens ganz anders; dort werden Autoren, deren Bücher an der Kasse im Supermarkt aufliegen, bewundert statt belächelt.“
Das war ja alles sehr interessant, aber es führte Nick in der Suche nach dem Mörder keinen Schritt weiter, so glaubte er wenigstens. Er musste versuchen, von Ottenfels etwas Konkretes zu entlocken, einen Namen, ein Motiv, irgend etwas.
„Lassen Sie mich zusammenfassen. Guido Bär hat also keine Förderbeiträge oder Preisgelder erhalten, obwohl er sich mehrfach darum beworben hat. Ich kann demnach davon ausgehen, dass Neid oder Missgunst aus den Reihen der Konkurrenz als Tatmotiv ausscheiden.“
„Keinesfalls, Herr Baumgarten, keinesfalls. Ich würde sogar das Gegenteil behaupten: allein die Tatsache, dass niemand ihn finanziell förderte, und er trotzdem glücklich und zufrieden weiter seine Bücher schrieb, könnte den einen oder anderen seiner Schriftstellerkollegen zur Weissglut getrieben haben.“ Er schüttelte den Kopf, als Nick sprechen wollte. „Namen werde ich Ihnen keine geben. Aber schauen Sie sich die Liste der Auszeichnungen des Kuratoriums an, oder auch die Namen derjenigen, die für ein Stipendium nominiert waren, oder die Kurse für kreatives Schreiben. Gehen Sie an eine Lesung im Literaturhaus oder in einer Buchhandlung, öffnen Sie Ihre Sinne für die Feinheiten der Sprache, dann werden Sie verstehen. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen.“ Von Ottenfels erhob sich und öffnete die Tür, das Gespräch war beendet.
„Meine Interessen liegen eher in den Feinheiten der zwischenmenschlichen Beziehungen, Herr von Ottenfels, auf diese Weise finde ich meine Mörder. Trotzdem, haben Sie vielen Dank für Ihre Ausführungen.“
Nick war versucht, sich wie ein nasser Hund zu schütteln, als die Haustüre hinter ihm zufiel. Er hatte da drin den Boden unter den Füssen verloren, vielleicht hatte Steff Recht, wenn er ihm Naivität vorwarf. Anderseits, argumentierte er mit sich selbst und gewann etwas Sicherheit zurück, konnten diese Kulturmenschen auch nicht ganz anders funktionieren als gewöhnliche Sterbliche.
„Schauen Sie hier, Herr Pfister, ich habe auch ein sogenannt 'unregistriertes' Handy mit Prepaid-Karte, und ich möchte nicht, dass der Provider einfach so meine Daten herausgibt.“ Cécile Dumont sass auf dem Besucherstuhl bei Peters Schreibtisch und versuchte zu erklären, warum viele ihrer Berufskollegen diese Form der Kommunikation nutzten. „Sonst kann jedermann, der von mir angeklagt wird, sofort meine Adresse herausfinden und mir beim Nachhause kommen
Weitere Kostenlose Bücher