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Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition)

Titel: Schreib und stirb (Aargauer Kriminalromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Reist
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Cocktailkleid am Tatort, statt in den Armen von Steff Schwager anlässlich der Verleihung des Aargauer Kunstpreises in den Morgen zu tanzen. Sie hatte in ihrem Auto ein paar flache Mokassins gefunden und die hochhackigen Sandalen abgestreift, aber ausser einem Mantel hatte sie keine anderen Kleider dabei. Natürlich hatte der ewig neugierige und nicht mehr ganz nüchterne Redaktor der Aargauer Zeitung sie begleiten wollen, als der Anruf kam. Liebevoll und unmissverständlich hatte sie ihn in ein Taxi gepackt und nach Hause geschickt. Er würde früh genug erfahren was geschehen war, und ihr Chef brauchte vorläufig nicht zu wissen, mit wem sie den Abend verbracht hatte.
    Nick Baumgartens Hemd war unter dem dunkelblauen Polizeipullover falsch zugeknöpft, weil er und Marina Manz gerade im Begriff gewesen waren, sich gegenseitig auszuziehen, als sein Handy geklingelt hatte. Der Abend mit Maggie Truninger und ihre konkreten Vorschläge, wie man sein Elternhaus an der Fröhlichstrasse sanft renovieren könnte, bedeuteten ihm unendlich viel. Marina hatte beschlossen, bei ihm einzuziehen, endlich hatte sie begriffen, dass er ihre Unabhängigkeit niemals beschneiden würde. Er hoffte inbrünstig, dass die unromantische Realität des Polizeiberufs sie über Nacht nicht wieder umstimmen würde.
    Peter Pfister roch eindeutig nach Bier, betrunken war er nach drei Stangen jedoch nicht. Trotzdem wollte er nicht fahren, also hatte seine Frau ihn vom Stammtisch in der Krone abgeholt und hergefahren, so wie unzählige Male während der letzten dreissig Jahre. Sie hatte wohl vergeblich gehofft, das alles sei jetzt endlich vorbei, aber noch war ihr Mann nicht pensioniert. Mit einem bitteren Lächeln winkte sie Nick zu, wendete den Wagen und fuhr nach Hause.
    Die Rettungssanitäter packten ihre Geräte ein und fuhren weg, ohne etwas ausgerichtet zu haben.
    Die beiden Streifenpolizisten der Regionalpolizei Brugg, die auf den Notruf reagiert hatten, warteten auf weitere Anweisungen.
    Im weiss gekachelten Raum sass ein Mann am Boden, angelehnt an die Wand. Er lebte, aber er war so erstarrt wie der Tote, der direkt neben ihm am Boden lag. Etwas weiter weg befanden sich zwei umgekippte Gaszylinder, deren Leitungen zu einer durchsichtigen Maske neben der Leiche führten. Kein Blut, keine Unordnung, keine Spuren eines Kampfes; nur dieser tote Mann mit offenem Hemd und geschlossenen Augen, und daneben der lebende Mann mit den toten Augen.
    Jeder der Anwesenden machte sich in den ersten fünfzehn Sekunden ein Bild dessen, was hier geschehen war. Weil Nick, Peter und Angela gut geschult und erfahren waren, würden sie nachher diese Theorien in Frage stellen, sie auseinandernehmen, anders wieder zusammensetzen, verwerfen. Der erste Eindruck jedoch prägte sich ein, und niemand würde ihn vergessen.
    „Fotos“, sagte Nick Baumgarten, „wir brauchen möglichst viele Fotos.“
    „Niemand fasst etwas an, bevor die Kriminaltechniker hier sind“, befahl Peter Pfister. „Alles bleibt wie es ist.“
    „Habt ihr alles genau so vorgefunden?“ fragte Angela Kaufmann die Streifenpolizisten. Sie nickten; der Jüngere war sehr bleich und wandte dem Toten den Rücken zu. „Wer hat angerufen?“
    Der Ältere wies mit dem Kopf auf den Mann, der am Boden sass. „Paul Beniak, Tierarzt, wohnt und arbeitet hier. Ist von einem Notfalleinsatz nach Hause gekommen und hat ihn hier in der Praxis gefunden, behauptet er. Mehr sagt er nicht.“
    „Gut, danke. Das Protokoll habe ich bitte morgen früh auf dem Tisch.“ Angela wandte sich zu Nick, der mit nachdenklicher Miene den Raum studierte. „Soll ich?“ fragte sie leise, und ihr Chef nickte.
    Angela beugte sich hinunter zu dem Mann, der immer noch mit starrem Blick am Boden sass. „Herr Beniak, ich bin Angela Kaufmann. Hier wird es gleich von Leuten wimmeln, können wir vielleicht an einem ruhigeren Ort ein paar Sachen klären?“
    Er schüttelte den Kopf. „Ich bleibe hier, solange er hier ist.“ Der Mann stank nach Zigarren und Schnaps. „Ich gehe nicht weg, Sie können mich nicht zwingen.“ Er stützte die Ellbogen auf die Knie und verbarg sein Gesicht in den Händen; seine Schultern zitterten und man hörte ein trockenes Schluchzen.
    Männer können nicht einfach weinen, ging es Angela durch den Kopf, sie wissen nicht wie es geht und es zerreisst sie fast. Sie setzte sich neben ihn und versuchte, ihr enges Kleid über die Knie zu ziehen; dabei bohrten sich ein Dutzend Pailletten in ihre teuren

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