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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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Gewalttätigkeiten. Das war mein einziger Kontakt mit Arabern irgendwelcher Art gewesen. Ich war also mit Recht über unseren Geheimdienst verblüfft und ebenso der Cousin, der sagte, er könne es nicht riskieren, Babus Anweisungen Folge zu leisten und zu meinen Partys zu kommen, weil er eine schöne Zeit in London verbringen und nicht aus Großbritannien ausgewiesen werden wolle. Diese geheimnisvollen, verschwörerischen Araber sollten später noch einmal auftauchen. Was mich betraf, so zuckte ich die Achseln und dachte:
Well, what can you expect?
Sämtliche Begegnungen, die ich je mit dem berühmten britischen Geheimdienst hatte – und die waren alle sehr flüchtig –, hatten den Beigeschmack des Possenhaften, des Surrealen.
    Die Überzeugung, über die an diesen Abenden in meiner Wohnung am häufigsten diskutiert wurde, war nicht der Kommunismus, sondern Anarchie – klassische Anarchie. Bevor Babu nach Hause zurückkehrte, um die obligatorische Zeit im Gefängnis zu verbringen, war er Anarchist, ein Freund von Murray Sayle, der seinerseits Anarchist war, da die Labour-Bewegung Australiens von dieser überaus anregenden Philosophie, die ohne die unerfreulichen Zwänge der Macht auskommt, beeinflusst war. Ich erinnere mich noch daran, wie ich zu Babu sagte: »Und wenn du an der Macht bist, was wirst du dann mit der Organisation tun, die dich dorthin gebracht hat?« – »Ganz einfach«, sagte er im Brustton tiefster Überzeugung, »wir werden sie auflösen und den natürlichen Kräften ihren Lauf lassen.« Es scheint mir ein Gebot der Fairness, darauf hinzuweisen, dass Babu, als ich ihn später an seine anarchistische Periode erinnerte, sich schockiert zeigte und sagte, er sei froh, dass er sich nicht mehr an diese jugendliche Unverantwortlichkeit erinnern könne. Aber damals, unverantwortlich oder nicht, war das alles sehr unterhaltsam. Eines Nachmittags kam Babu in meine Wohnung gestürmt und sagte, er habe einen wundervollen Plan, der die Zukunft von ganz Afrika zu verändern verspreche. Er hatte einen Cousin – einen anderen –, der auf einem Schiff arbeitete, das zwischen London und Ägypten verkehrte. Kairo benutzte damals einen sehr starken Sender, der »ganz Afrika« massiv mit Propaganda überzog. Ich habe vergessen, um was es sich hierbei handelte. Babu sagte, wir sollten diese Radiostation, in der er einen Freund habe, mit geeignetem Material versorgen, nüchtern und den Tatsachen entsprechend, nicht wie die Phrasen, derer Kairo sich bediente. Wie wir das anstellen sollten? Kein Problem! Wir würden es dem Cousin auf dem Schiff geben, der würde es an eine Kontaktperson in Alexandria weiterreichen, und die wiederum würde es dann nach Kairo schicken. Aber, wandte ich ein, sei dieses überaus wertvolle Material bei seinem Eintreffen denn nicht bereits überholt? Zudem würden die Leute, die das Radioprogramm in Kairo machten, eben das doch bestimmt bemerken. Meine Aufgabe war es leider, jugendlichen Überschwang zu dämpfen. Wie anders hätte ich auf diesen mir ans Herz gehenden, liebenswerten Unsinn reagieren sollen?
     
    Etwa zur gleichen Zeit, als besagte Abende in meiner Wohnung stattfanden, ging ich zu einigen Versammlungen des »Movement for Colonial Freedom«, Fenner Brockways Schöpfung. Sie fanden immer in einem der Kellerräume des Unterhauses statt. Zu den ungefähr zwanzig Leuten, die sich dort regelmäßig trafen, konnten künftige Premierminister und Präsidenten gehören, die entweder gerade aus einem der britischen Gefängnisse ihrer jeweiligen Länder auftauchten oder im Begriff standen, in einem Gefängnis zu verschwinden. Ich war von der Demokratie als Praxis in der Tat recht angetan. Diese Versammlungen, die die Auflösung des Britischen Empire beschleunigten oder kennzeichneten, verliefen stets so: Es gab eine lange Tagesordnung, eine Liste mit all den Namen der britischen Kolonien oder Protektorate, die sich gerade in verschiedenen Stadien des Aufruhrs befanden – Zypern, Nordrhodesien, Njassaland, Britisch- Guyana und so weiter. Barbara Castle kam eigens zu diesen Versammlungen von »oben« herunter; sie war eine überaus tüchtige und beeindruckende Frau. Die Namen der verschiedenen Länder wurden verlesen, und jemand referierte über das, was dort vorging. Nordrhodesien? Unruhen. Aufstände. Steinewerfen. Streiks im Kupfergürtel. Harry Nkumbula und Kenneth Kaunda im Gefängnis. Njassaland? Unruhen, Streiks, Steinewerfen, Aufstände – und so weiter. Aber wenn die

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