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Schritte im Schatten (German Edition)

Schritte im Schatten (German Edition)

Titel: Schritte im Schatten (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Doris Lessing
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reaktionär und so weiter. Ein schwarzes Proletariat war nach wie vor der einzige Schlüssel zum grandiosen Erwachen Afrikas. Keiner dieser Männer interessierte sich für den Kommunismus. Sie redeten ausschließlich von der Unterdrückungspolitik des Colonial Office und davon, wie sie von der Föderation verraten worden waren. Königin Viktoria hatte ihren Häuptlingen versprochen, dass ihre (schwarzen) Interessen immer an oberster Stelle stehen würden, trotzdem hatte das Colonial Office der Föderation zugestimmt, durch die sie Südrhodesien auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert waren. Die Verbitterung über diesen Verrat war der Grundton dieser Gespräche.
    Ein kleines Ereignis, das ich noch heute rührend finde: Jemand in Whitehall kam zu dem Schluss, dass es eine gute Sache wäre, wenn jemand aus der königlichen Familie diese Agitatoren zum Tee einladen würde, denn schließlich wusste man nie, was passieren würde, man denke an Kenyatta, man denke an Nkrumah, zuerst gefährliche Agitatoren und dann edle Staatsmänner. Im Palast haben sie vermutlich gesagt: »Ach herrje, jemand soll einen Haufen Schwarze zum Tee einladen. Wie wär’s mit dir?«
    »Kommt nicht in Frage, ich kann die Kerle nicht ausstehen.«
    »Und was ist mit dir?«
    »Ich nicht.«
    »Ich hab’s, wir werden Alice sagen, sie soll es tun.«
    Also bat Prinzessin Alice die künftige Regierung von Sambia zum Tee in einen Palast, ich weiß nicht mehr in welchen, und diese einsamen Männer, von denen ansonsten niemand Notiz nahm, waren so dankbar für die Aufmerksamkeit und auch für das, was sie für eine feinfühlige Anspielung auf das Versprechen hielten, das Königin Viktoria ihren Vorfahren gegeben hatte, dass Präsident Kenneth Kaunda ein halbes Jahrzehnt später, als Sambia unabhängig wurde, ausdrücklich anfragte, ob Prinzessin Alice sein offizieller Gast sein und mit ihm den großen Ball zur Feier des Ereignisses eröffnen wolle. Und so war da diese gebrechliche alte Dame mit ihren Juwelen und ihrem hübschen Diadem, die mit Präsident Kaunda Walzer tanzte … Wenn es um Politik geht, kann man letzten Endes nichts anderes tun als lachen.
    Mittlerweile hatte ich die Nase voll von Leuten, die überzeugt waren, dass ihre Telefone angezapft und ihre Briefe geöffnet wurden. Ich hielt sie für romantisch und paranoid. Aber dann passierte etwas, das mich davon überzeugte, dass meine Briefe geöffnet wurden. Nachdem Babu nach Sansibar zurückgekehrt war, schickte er mir einen Brief, in dem er mir einen Cousin empfahl, der mich aufsuchen und sich freuen würde, an diesen Abenden bei mir teilzunehmen – aber mit denen war inzwischen Schluss. Er interessiere sich nicht für Politik, schrieb Babu, er sei ein netter Junge und brauche Unterweisung. Als dieser Cousin auftauchte, ohne vorher angerufen oder eine Nachricht geschickt zu haben, war er total verängstigt, sagte, er sei nur gekommen, weil Babu gesagt habe, er müsse. Er war vor einen Beamten nach Whitehall zitiert worden, der ihm erklärt hatte, er müsse sich von einer gewissen Mrs. Lessing fernhalten, die in gefährliche Verschwörungen mit den Arabern verwickelt sei. Er müsse einen großen Bogen um diese Frau machen, sonst seien seine Tage in London gezählt. Sie wussten, dass er mich aufsuchen wollte. Also müssen sie Babus Brief geöffnet haben. Dieser Cousin wollte wissen, wer diese Araber waren. Ich wollte es auch wissen. Die Araber (welche?) waren damals noch nicht diese lärmenden Gestalten auf der Weltbühne; wir dachten kaum an sie. Ich hatte keine Araber in London getroffen. Ich hatte ein einziges Mal mit Arabern zu tun gehabt, das war daheim in Salisbury in Südrhodesien gewesen, als unsere Gruppe auf die brillante Idee gekommen war, all unsere jüdischen Freunde einzuladen, damit sie Araber kennenlernten, die gerade aus den Internierungslagern entlassen worden waren, in denen sie wegen ihrer prodeutschen Gesinnung während der Kriegsjahre gesessen hatten. Sie waren bitter und zornig, und die Juden waren gleichfalls bitter und zornig. Wir hatten uns tatsächlich eingebildet, eine zivilisierte Diskussion könnte helfen, die Konflikte zu bereinigen. Ihr erstes Aufeinandertreffen war so feindselig, dass wir – die Nichtbeteiligten – sie einfach sich selbst überließen und auf einen Drink ins Grandhotel verschwanden; von dort schickten wir von Zeit zu Zeit Kundschafter aus, die feststellen sollten, wie die Lage sich entwickelte. Sie war sehr schlecht, und alles endete in

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