Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
Schulter. Schröder nickte und zog ebenfalls die Kapuze über. Sie näherten sich vorsichtig dem Kraterrand. Schröders Herz begann zu rasen. Wenn er auch kein Spezialist für Vulkane war, so stand ihm jetzt ein Moment bevor, von dem jeder Geologe träumte. Einmal in den Schlund eines aktiven Vulkanes zu sehen.
"Bist du nervös?", rief Lasky gegen den Wind.
Schröder schüttelte den Kopf.
"Du bist ein mieser Schauspieler! Ich bin vollkommen aufgeregt. Es ist schlimmer als am Roulettetisch!"
Schröder sah nach vorne. Er legte seinen Rucksack ab. Da war er, der Tellerrand der Erdkruste. Das Brodeln wurde lauter. Nur noch wenige Schritte. Jeder Meter brachte ihn näher zu der Flüssigkeit, die seit Anbeginn der Erde an freier Luft zu Fels gefror. Nach dem nächsten Schritt sah er den Schlot rötlich leuchten. Nach einem weiteren konnte er tief unten den Lavasee erkennen. Endlich versank sein Blick in der brodelnden Glut, und seine Augen wollten die Erde aufsaugen.
Blut und Asche
Giaco kniff die Augen zu zwei Schlitzen zusammen. "Wen von beiden zuerst, den Rechten oder den Linken?"
"Den Rechten!", antwortete Giovanna bis zum Zerreißen gespannt.
Giaco und seine Begleiterin hockten kurz unterhalb des Pizzo. Es dämmerte. Rauch und Dampf wehten vom Krater her immer wieder herüber, so dass sie Schröder und Lasky nur gerade noch sehen konnten. Die beiden standen dicht nebeneinander. Außer den beiden Gestalten dort am Rande des Kraters waren er und Giovanna vollkommen allein in dieser Ödnis.
"In Ordnung", sagte Giaco. Mit wenigen Handgriffen baute er sein Stativ auf. Dann holte er einen länglichen Kasten aus dem Rucksack. Er stellte ihn auf den Boden, öffnete ihn und entnahm ihm ein Rohr, das er auf einen Mechanismus steckte. Aus dem Mechanismus wurde ein Hebel herausgeklappt. Das aufgesetzte Fernrohr machte aus dem Steckspiel ein Präzisionsgewehr.
Er zielte, sah erneut zu Giovanna und fragte noch einmal: "Der Rechte?"
"Ja, schieß schon, es wird gleich dunkel!", herrschte sie ihn an.
Das linke Auge des Athleten schloss sich, seine Hand umfasste das Gewehr ruhig und fest und drückte es mit dem Bügel gegen die Schulter. Sein Körper und das Gerät bildeten eine Einheit, vom Auge über das Fernrohr, vom Schlüsselbein über die Hand zum Lauf. Er hatte jetzt den linken Mann im Visier. Dann schwenkte er ruhig und gleichmäßig nach rechts, bis sich die schwarzen Fäden im Fernrohr unterhalb der Schulter des Mannes kreuzten. Dann drückte er ab. Ein Schuss peitschte. Der Mann fiel zu Boden. Der Athlet schwenkte sein Gewehr ein zweites Mal, diesmal auf den linken Mann. Wieder drückte er ab. Ein zweiter Schuss zerriss die Luft, und der zweite Mann fiel zu Boden. Beide lagen ruhig da, als hätte man sie übereinandergestapelt.
"Gut!", sagte Giovanna.
Giaco ging ein paar Schritte bergab und packte in Ruhe hinter dem Hügel zusammen. Giovanna schritt auf ihn zu. Kurz vor ihm blieb sie stehen und schaute ihm kalt in die Augen. Er sah sie an, legte ihr den Arm um die Schulter und versuchte sie zu küssen. Sie riss sich von ihm los.
"Und was, wenn jemand kommt?"
"Hier oben ist niemand mehr, nicht um diese Jahreszeit!"
"Komm, lass uns die Reste von den beiden beseitigen!"
*
Schröder wusste nicht warum, aber Lasky fiel! Sein Oberkörper drehte sich zur Seite, und seine Beine knickten ein, so dass er auf den Kraterrand stürzte. Er wäre in den steilen Trichter hineingerutscht, hätte sich Schröder nicht wie vom Blitz getroffen auf ihn geworfen. Er blieb ruhig liegen, um das Gleichgewicht zu halten, bis er seinen reglosen Freund besser gepackt hatte. Seine Hand fühlte eine warme Flüssigkeit. Er hielt sie unter seine Nase und sog die Luft ein. Die Flüssigkeit roch nach rostigem Eisen; es war Blut, Laskys Blut. Starr vor Entsetzen sah Schröder ihm ins Gesicht.
"Was ist passiert?", schrie er.
"Wies … so?" stammelte Lasky. Blut lief aus seinem Mund. Er sah Schröder lächelnd an, dann verdrehte Lasky die Augen, sein Kopf fiel zur Seite. Der Freund suchte fiebernd nach dem Puls an Laskys Hals, doch er spürte keine Regung mehr in dessen Adern.
"Verflucht, verflucht, was machst du denn, Junge?"
Schröder war völlig verwirrt. Er sah sich um, doch er schien in der Dämmerung alleine zu sein. Was war geschehen? Er untersuchte die Stelle, wo er das Blut gespürt hatte. Fieberhaft öffnete er die Jacke, in der ein Loch war. In Laskys Hemd war ebenfalls eines, darunter noch eines in seiner Brust: ein Schuss!
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