Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
Telefongesprächs zwischen dem damals kommissarischen Leiter des Gesundheitsamts und dem damaligen Stadtdirektor, einem gewissen Grünwald. Ich erinnerte mich, dass Grünwald in den frühen siebziger Jahren sein Amt niedergelegt hat und in eine andere Kommune gewechselt ist. Kommissarischer Leiter des Gesundheitsamts war zu der Zeit mein jetziger Chef, Dr. Ernst Tacke, in Vertretung für den lange Zeit erkrankten Dr. Hermann. Hermann war übrigens bei seinen Mitarbeitern sehr beliebt, Tacke weniger." Sie wartete, bis Montag aufsah. "Tacke hätte die Zeit genutzt, sich genügend Beziehungen zu schaffen, so kochte damals die Gerüchteküche. Er wollte wohl unbedingt die Nachfolge Hermanns antreten, was er ja auch geschafft hatte. Man sagte, er hätte die Rückkehr Hermanns verhindert und dafür gesorgt, dass er einige Jahre früher in den Ruhestand ging."
"Hilft uns das weiter?", fragte Montag unbeeindruckt.
"Anscheinend hat Tacke das Telefongespräch zwischen Grünwald und ihm damals mitnotiert, um später etwas in Händen halten zu können, wenn es darum gehen könnte zu beweisen, warum er bestimmte Anweisungen an eigene Mitarbeiter erteilt hat."
"Das klingt sehr nach Beamtenmentalität. Ist das außergewöhnlich?"
Carola Steglitz erinnerte sich: "Tacke war immer schon feige, aber niemals dumm. Er war das, was man mit Verlaub einen Schleimscheißer nennt. Keine Eier, wenn ich das so sagen darf. Er hat mich seit dem ersten Augenblick an einen meiner Schullehrer erinnert, der seine cholerischen Anfälle jeweils dadurch eingeleitet hat, dass er Schüler mit Tafelkreide oder seinem Schlüsselbund beworfen hat. Ich war von Beginn an skeptisch bei dem Kerl."
Montag las weiter: Die Aktennotiz war datiert auf den 19.06.1971, 14 Uhr 30, Anruf von Grünwald bei Dr. Tacke. Dem Text nach hatte Grünwald ihn anscheinend beschworen, die Untersuchungen an den Kindern und die Nachforschungen bei den Firmen im betroffenen Industriegebiet einzustellen. "Sicher hat Stadtdirektor Grünwald Ihrem Herrn Tacke versprochen, ein gutes Wort für ihn einzulegen, wenn es um die Nachfolge Hermanns ginge", lachte Montag sarkastisch.
"In dem Zusammenhang ist mir eine Bemerkung Laskys eingefallen. Er hatte etwas im Archiv entdeckt, worüber er lange nachgedacht hat, warum es überhaupt in einem Ordner gelandet und offiziell abgeheftet worden ist. Damals hab ich nicht so drauf geachtet. Jetzt ist mir klar, dass er wohl von genau dieser Aktennotiz gesprochen haben muss."
Als er weiterblätterte, stieß Montag auf den Namen Dr. Ludwig Vennmeier. "Der damalige Sachbearbeiter. Damals etwa dreißig Jahre alt, sehnig und gut aussehend." Carola Steglitz hob schwärmerisch die Augenbrauen. "Als ich meinen Dienst damals angetreten habe, ist er aus dem Gesundheitsamt ausgeschieden. Es hieß damals, er wäre über Differenzen mit Tacke gestolpert und hätte freiwillig gekündigt. Ich glaube das nicht."
Montag sah auf und lehnte sich zurück in seinen Sessel. Er ordnete seine Gedanken und trank noch einen Schluck Kaffee. Carola Steglitz deutete auf einen offiziellen Brief, den Tacke an Vennmeier geschrieben hatte. "Das ist ein dienstlicher Verweis. Vennmeier hat demnach weiterhin Nachforschungen angestellt, obwohl er anscheinend mehrere Male von oberster Stelle angewiesen worden war, die Untersuchungen einzustellen."
Ein weiteres Schriftstück und mehrere Tabellen und Notizen Vennmeiers mit späterem Datum belegten eindeutig, dass er am Ball geblieben war. Die freiwillige Kündigung war einen Tag nach dem letzten Schriftstück datiert. "Tacke hat Vennmeier vermutlich gezwungen, seine Kündigung einzureichen", schloss Montag. "Aber wirkliche Details sind in den Akten nicht zu finden."
"Ich weiß", seufzte sie. "Keine eindeutigen Diagnosen, keine Analysenberichte, nur Querverweise auf solche, also nichts Beweiskräftiges hinsichtlich der wahren Ursache einer Vergiftung."
"Und Daten über die Untersuchungsreihe an den Kindern fehlen auch", meinte Montag. "Hat Lasky sie denn nicht rausgesucht?"
"Lasky hätte sie ganz sicher kopiert, würde es solche Berichte geben", schloss Carola Steglitz grübelnd.
Sie schwiegen. Dann hob sie den Zeigefinger, als hätte sie einen Geistesblitz. "Ich vermute, dass Tacke nur die Schriftstücke hat aufbewahren lassen, die beweisen, dass Vennmeier wiederholt Nachforschungen angestellt hat, obwohl der Fall schon längst abgeblasen worden war; im Streitfall hätte er Vennmeier eindeutig mit mehrmaligem Zuwiderhandeln
Weitere Kostenlose Bücher