Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
Tragekomfort und die Sitzqualität noch vergrößern sollten. Stolz drückte er auf die runden Gummipumpen in der Zunge seiner Schuhe, bis er den zunehmenden aber noch angenehmen Druck am Fuß verspürte. Ein zufriedenes Grinsen hing an seinen Wangen, die stets eine gesunde rote Farbe hatten.
Er verließ das Haus, schwang sich auf sein Pinarello-Rad und strebte dem Kronenberg am westlichen Stadtrand entgegen. Er erinnerte sich jedes Mal, wenn er hier vorbeifuhr, an seinen skurrilsten Fall polizeilicher Fehleinschätzung, der schon weit über zehn Jahre zurücklag und der sich hier zugetragen hatte.
Damals fuhr er morgens noch mit dem Fahrrad zum Dienst. Ein gut gekleideter Herr war gerade dabei, die während einer durchzechten Nacht reichlich angesammelte Flüssigkeit gegen die Briefkastenreihe eines großen Mietshauses zu entleeren, indem er wie mit einem überlaufenden Füllhalter seinen Namen auf die Blechklappen zu schreiben schien, die ein hohles Trommeln von sich gaben. Eigentlich war Vogler nur von seinem Fahrrad gestiegen, weil ihn die Neugier lockte, was für eine Art Mensch das sein könnte. Als Vogler den Täter zur Rede stellen wollte, geschah etwas, womit selbst ein Polizeiprofi wie er nicht gerechnet hatte. Der Wassertrommler wandte sich um, wobei er in hohem Bogen Voglers Schritt erwischte, von wo aus die Flüssigkeit seine Hosenbeine hinunterlief. Der Mann taumelte, kicherte, rülpste und erkannte sofort den Vorteil seiner Lage: Er hatte den Polizisten schachmatt benetzt. So schnell der Übeltäter konnte, packte er ein und machte sich glucksend aus dem Staub. Vogler stand wie angewurzelt vor Ekel, aber er hatte ihn erkannt. Es war der geistig leicht umnachtete Vater seines Bäckers gewesen, der gerade von einer Kriegsveteranen-Versammlung zurückkehrte. Ein Gutes hatte der Vorfall dann doch gehabt: Manchmal bekam er auch heute noch von dem Bäcker seine Frühstücksbrötchen umsonst.
Unter dem Kronenberg war die Grenze zum Stadtwald, den Vogler so gerne mochte. Von hier aus lief er, sooft es das Wetter und seine Zeit zuließen, zur höchsten Erhebung der Gegend, dem Dreiländerpunkt, wo Deutschland, Belgien und die Niederlande zusammentrafen. Voglers Laufroute ging fast immer bergan und maß ungefähr sieben Kilometer, für einen Mann seines Alters eine ganze Menge. Jedes Mal, wenn er an dem gerne und oft besuchten Ausflugspunkt ankam, gönnte er sich eine Pause, die er zum Nachdenken nutzte.
Er saß auf einer Bank und sah in den wolkenlosen Himmel. Dieser Dreher, der noch vor ungefähr drei Stunden bei ihm gewesen war, hatte ihn neugierig gemacht. Der Fall war interessant. Vogler war an Umweltverbrechen eigentlich nie interessiert gewesen, er hatte sie als Kavaliersdelikte eingestuft. Erst seine Tochter hatte ihn mehr und mehr darauf aufmerksam gemacht. Oh Gott hatten sie sich gestritten! Doch irgendwann nach der Seveso-Katastrophe in den Siebzigern war ihm ein Licht aufgegangen. Er hatte gelernt, dass die Gesetze hinsichtlich solcher Verbrechen viel zu lasch waren.
Immer wieder ärgerte er sich darüber, wenn Kollegen erzählten, dass kleine Fische empfindlich bestraft wurden, weil sie eine Karre Müll in den Wald gekippt hatten, während große Industrieunternehmen Flüsse und Meere vergifteten. Die Verhältnismäßigkeiten stimmten nicht. Und wenn Vogler irgendetwas aus der Fassung bringen konnte, dann war das Ohnmacht gegenüber der Ungerechtigkeit.
Er warf noch eine weitere Tatsache in seine Waagschale. Jemand war ermordet worden. Das war sein Spezialgebiet. Zeit und Geld hatte er. Um eine Bezahlung ging es ihm nicht. Die Hauptsache war ja der Fall, der ihn reizte: Vogler allein gegen einen ganzen Haufen skrupelloser Schweinehunde. Ein großer Gedanke. Und zur Polizei hatte er noch guten Kontakt. Ihm standen aufgrund seiner Beziehungen immer noch die meisten Informationsträger zur Verfügung.
Gleichzeitig war er Zivilist, was er als großen Vorteil sah. Denn er unterlag keinerlei Dienstvorschriften mehr, die ihn banden.
Er erhob sich von der Bank, betrat das Café am Dreiländereck und sagte zum ersten Kellner, der ihm über den Weg lief: "Ich möchte telefonieren!"
*
Saltini konnte es nicht glauben. Diese drei Idioten hatten es tatsächlich nicht fertiggebracht, Schröder aus dem Weg zu räumen. Sie hatten ihn unterschätzt. Giaco war ein Profi. Einer der besten, die es auf diesem Gebiet gab: brutal und rücksichtslos. Und Giovanna hatte er ebenso eingeschätzt. Nun war Schröder
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