Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
hinterließ, stand gerade jetzt symbolisch dafür, dass Bonn immer nur ein Provisorium gewesen war: arme kleine Stadt. Der Zug schlängelte sich den Rhein entlang. Carola Steglitz schlief ein und erwachte erst wieder kurz vor Erlangen.
Es war zehn Uhr fünfundvierzig: Nürnberg lag im Morgennebel. Carola Steglitz stieg in ein Taxi und ließ sich zum Christkindlmarkt bringen. Sie war pünktlich an dem Brunnen, den Vennmeier ihr beschrieben hatte. Sie betrachtete seine aus Sandstein gehauenen Figuren und Ornamente, die von einem mächtigen Gitter geschützt wurden. Der Platz war mit Gemüse– und anderen Marktständen übersät. Welch ein Glück, dachte sie, dass nicht Weihnachtszeit war.
Auf den Stufen des Brunnens saßen junge Leute, völlig besoffene Penner und Menschen, die vielleicht nicht wussten, wohin sich sonst setzten sollten. Sie betrachtete jeden sorgfältig und suchte nach Vennmeier oder einer Gestalt, die sie für ihn halten würde. Aber sie fand niemand.
Dann kam ein Mann auf sie zu, groß und schlank, mit einem dunklen Lodenmantel bekleidet. Dazu trug er einen schwarzen Hut mit breiter Krempe, in dessen Schatten sich ein gut geschnittenes, bereits von Falten gezeichnetes Gesicht abzeichnete.
"Sie sind Frau Steglitz", stellte er fest.
"Ja! Und Sie sind Doktor Vennmeier. Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind", sagte sie lächelnd. In ihrem Gesicht spiegelte sich große Erleichterung wider.
"Sie brauchen mir nicht zu danken!" Das Leben in Wien war nicht spurlos an seinem Tonfall vorübergegangen. "Sie haben mich wirklich neugierig gemacht. Aber kommen Sie, ich weiß einen besseren Ort, an dem wir uns ungestört unterhalten können." Sein Blick war nach oben gerichtet. "Sehen Sie, es klart auf. Bald wird die Sonne scheinen. Begleiten Sie mich ein Stück hinauf zur Burg. Dort gibt es Cafés."
Er berührte ihren Rücken mit seiner linken Hand. Sie fand es angenehm und ließ sich gerne von ihm führen. Sie schlenderten langsam die steile Straße zur Burg hinauf, wobei sie ihm erzählte, was vorgefallen war. Sie schilderte ihm, dass sie Tacke im Verdacht hatte, vor zwanzig Jahren einer der Drahtzieher der Vertuschungsaktion gewesen zu sein.
Sie kamen zu einem idyllischen Platz, der direkt an die Mauer aus rotem Sandstein grenzte, die gewaltig nach oben strebte, wo die mächtige Kaiserburg stand.
Vennmeier unterbrach sie höflich, ohne ihr ins Wort zu fahren, und wies auf eine hölzerne Sitzgruppe vor einem Café, die von einer niedrigen Mauer umgeben war. An einem der Tische nahmen sie Platz.
"Wieso sind Sie so direkt und offen zu mir?", fragte er und beobachtete genau ihre Augen.
"Ich habe keine andere Wahl!", erwiderte sie. Vennmeier nickte und bestellte zweimal Weißwein.
"Ich hoffe, das ist in Ihrem Sinn. Wissen Sie, in Deutschland kann ich keinen Kaffee trinken. Er soll zwar der reinste der Welt sein, aber nach Kaffee schmeckt er leider nicht mehr. Nicht, wenn man aus Wien kommt." Er blickte sie um Verzeihung heischend an. Sie lachte. "Sie trinken schon früh morgens Wein?"
"Nein, aber wenn es keinen Kaffee gibt, was kann man dann sonst trinken, außer Wein?"
Sie nickte und schmunzelte. "Ich schließe mich Ihnen gerne an. Ich glaube, der Wein wird mir gut tun, ich fühle mich von der Reise noch müde. Aber, sie wissen ja: Wein belebt."
"In Wien weiß man diese Tatsache besonders zu schätzen!"
Kurz trafen sich ihre Augenpaare. Die Kellnerin servierte zwei Gläser mit fränkischem Weißwein. Vennmeier kostete den Wein. "Silvaner. Kam ursprünglich aus Österreich nach Franken. Daher nannte man ihn früher Österreicher. Guter Wein!"
Die Sonne hatte den Nebel mittlerweile aufgesogen. Vennmeier lehnte sich nach vorn, stützte sich mit seinem linken Ellenbogen auf dem Tisch ab und umfasste mit der Rechten das Glas. "Was kann ich tun?"
Sie schien überrascht zu sein von dieser prompten Frage. "Ganz einfach: Liefern Sie mir Tacke!"
Er lehnte sich zurück. "Haben Sie persönliche Gründe?" Seine Stimme war jetzt deutlich distanzierter als vorher.
Sie antwortete sehr ruhig. "Glauben Sie mir, in unserem Amt hätte jeder genügend persönliche Gründe, Tacke eines auszuwischen, auch ich. Aber deshalb bin ich nicht hier. Ich habe Ihnen geschildert, was geschehen ist. Ich mach es um das Andenken an einen Kollegen, der tot ist, und ich denke, dass Tacke in gewisser Weise daran Schuld hat, weil er Ihnen vor zwanzig Jahren den Fall weggerissen hat. Wenn er unschuldig ist, dann kann mir ein Beweis
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