Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)
erzählt. Ich habe nur mit meiner Kollegin Doktor Steglitz darüber gesprochen. Sie konnte sich noch an den Fall vor zwanzig Jahren erinnern; da war Sie selbst noch grün hinter den Ohren. Sie hatte übrigens gleich das Gefühl, dass damals etwas vertuscht worden ist."
Schröder sah aufs Meer hinaus. Er wusste nicht, warum er die Frage gestellt hatte. Irgendwas hatte ihn zur Neugier gedrängt. Aber er wollte sichergehen, als hätte er die Zeit der dunklen Tage, die vor ihm lagen, erahnen können.
PCB und Frühlingsduft
Als Schröder das Büro Saltinis verlassen hatte, war der Widerhall seiner Sätze im Raum klebengeblieben wie der beißende Geruch eines Kadavers. Damit war für Saltini Schröders letzte Chance zerplatzt wie eine überhitzte Glühbirne. Was jetzt folgen sollte, hatte Saltini bereits ins Auge gefasst, bevor er Schröder die Gelegenheit gegeben hatte, sich von ihm zum Schweigen überreden zu lassen.
Er saß in einem breiten Sessel am Kopfende des Konferenztisches, die Unterarme auf die Lehnen gestützt. Seine Hände waren gefaltet, wobei seine Zeigefinger sich berührten und nach oben wiesen, um leicht federnd gegen seine Nase zu tippen. Er blickte in ernste Gesichter, denen klar war, dass die Existenz ihres Konzerns auf dem Spiel stand.
Rechts neben Saltini saß Francesco Tozzi, technischer Vorstand. Ein hochgewachsener, dunkelhaariger Friulaner. Er stand Saltini absolut loyal gegenüber. Er war Ende dreißig und hatte ein streng geschnittenes Gesicht. Tozzi machte einen fast provokant ausgeruhten Eindruck. Er war wie immer perfekt gekleidet, ein Mann, so dachte Saltini, der absolut berechnend vorging. Saltini wusste, dass er sich auf ihn verlassen konnte. Von ihm hatte er nichts zu befürchten, solange er ihn nicht ausnutzen würde. Tozzi war Technokrat mit Leib und Seele, ein Mann, der eher dem Surren einer elektrischen Zahnbürste vertraute als den Worten seiner Frau.
Neben ihm saß Ettore Luciano, Anwalt. Er kam aus Kalabrien. Luciano wirkte älter als er war. Er war klein und rund. Seine Hände wirkten aufgeblasen und erinnerten an die Pratzen eines Laubfroschs. Sein Anzug knitterte, der Bauch stand weit hervor. Er hatte sich seit Tagen nicht rasiert und sah verschlafen aus. Saltini wusste genau, was Luciano hinter seinem Äußeren verbarg. Der kleine Süditaliener war ein glänzender Advokat und spielte sein schlampiges Aussehen perfekt aus. Er wurde permanent von seinen Gegnern unterschätzt. Seine einfache Herkunft hatte ihn das Kämpfen gelehrt, auch mit Mitteln, vor denen andere zurückschreckten.
Luciano gegenüber saß Alberto Dumwalder, Finanzvorstand. Ein Mann Mitte Fünfzig mit einem kernigen Gesicht, hervorstehenden Wangenknochen, mächtigem Kinn und tiefliegenden Augen, wie es für den alpinotypen Menschenschlag typisch war. Er entstammte einer Beamtenfamilie aus Bozen in Südtirol. Er war trotz seines Kulturkreises weitgehend italianisiert. Dumwalder war ein perfekter Buchhaltertyp und der einzige in der Runde, der deutschsprachige Wurzeln hatte. Er verstand Dinge, so glaubte Saltini, die ein Italiener niemals begreifen würde.
Links neben Saltini saß Benedetto Simicic, Firmenstratege. Ein Mann mit fliehender Stirn und rundlichem Gesicht. Das weißblonde Haar des Einundsechzigjährigen war streng zurückgekämmt. Die schwarzbraunen Augen verliehen ihm einen aristokratisch stolzen Blick. Simicics Ahnenreihe führte nach Kroatien. Sein Urgroßvater war zur Zeit der k. u. k.-Monarchie Schatzmeister des Kaisers gewesen. Als Lohn für seine Arbeit hatte der Monarch dem alten Simicic ein großes Stück Land im heutigen Slowenien und eine Stadtvilla in Triest geschenkt, damals der einzige große Hafen Österreichs. Simicic hatte aus der alten Villa mittlerweile eines der schönsten Hotels der Stadt gemacht.
"Saltini, klären Sie uns auf", schnaubte Luciano. "Warum in Gottes Namen sitzen wir zu Mittag mit knurrenden Mägen in diesem Konferenzraum, in dem es nicht einmal einen Espresso gibt!"
Saltini war es gewohnt, dass der ewig schlecht gelaunte Mann vor jeder Gesprächseröffnung los polterte, nur um seine Verhandlungspartner einzuschüchtern. Dumwalder reagierte mit einem anhaltenden Seufzer.
"Meine Herren, es ist ernst." Saltinis tiefe Stimme eroberte sofort die Aufmerksamkeit der Männer. "Heute kein Protokoll", rief er an Tozzi gewandt, der sofort den Stift zur Seite legte. "Dieser Schröder lässt nicht locker. Er hat zwar nicht den ganzen Umfang unserer Vorgangsweise
Weitere Kostenlose Bücher