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Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)

Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)

Titel: Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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bekam nervös feuchte Hände.
    Graeter zog die Schultern hoch. Aus seinem Gesicht wurde eine Grimasse. "Genaues weiß man nicht."
    "Und womit hat sich die ICCO aus dem Schneider gebracht?"
    "Die arbeiten doch mit Kühlanlagen. Und da gehörte früher eine Chemikalie rein, die ziemlich giftig sein soll ..."
    "... PCB", entfuhr es Dreher wie einem gespannten Bogen der Pfeil.
    Graeter reckte sich und sah ihn erstaunt an. Dreher fluchte innerlich und dachte, sich verraten zu haben. Aber Graeters Mitteilungsbedürfnis war stärker. "Ah, Sie kennen sich aus. So heißt das Zeug glaube ich, ja, kann zumindest sein. Also, dasselbe Zeug braucht man in der Starkstromelektrik. Das hat mir mein Schwager erzählt."
    Er machte die Schulter-und-Hände-hoch-und-Mund-runter-Bewegung, die jeder macht, der gerne etwas erzählt, ohne jedoch für die Folgen die Verantwortung übernehmen zu wollen. Dann fuhr er fort: "Weil die ICCO ohnehin einiges mit diesem Zeug – wie sagten Sie, PCB? – zu tun hatte und sich bestens mit der Handhabung auskannte, hat sich vor geraumer Zeit der Manager in einer konjunkturschwachen Phase überlegt ..." Graeter hob die Hand ungeschickt zum Mund und rülpste gurgelnd in seine Faust. "T‘schuldigung", stammelte er und sah Dreher peinlich berührt an.
    "... also überlegt, alte Trafos und ähnliche Geräte anzunehmen."
    "Wozu das?"
    "Zum Verschrotten. Da gibt es Vorschriften, und man braucht eine Lizenz dazu. Und wer geschickt ist ..."
    Dreher fühlte sich, als hätte ihn jemand mit einem Hammer geweckt. Vielleicht die Spur, die er suchte. Aber wie kam er an die ganze Wahrheit? Vielleicht sollte er den Rest Vogler überlassen. Er versuchte es noch einmal. "Und was ist mit dem Schrott passiert?"
    Graeter blinzelte ihn an und hob erneut die Schultern. Er schob seiner Geschwätzigkeit einen Riegel vor und antwortete lakonisch: "Ach was weiß denn ich? Aber jetzt lasst uns noch einen heben", sagte er fröhlich zu allen, die an der Theke standen, und bestellte die nächste Runde.
    *
    Vogler saß auf seinem Sofa zwischen Stapeln von Büchern und Türmen von Zeitschriften und nippte an seiner Kaffeetasse, deren Henkel abgebrochen war. Montag hatte ihm Literatur besorgt. Fachveröffentlichungen über PCB, ausgeschrieben ein Zungenbrecher namens Polychlorierte Biphenyle. Vogler hatte nur geringe Kenntnisse von Chemie, nur so viel, wie er vor ewigen Zeiten auf dem Gymnasium mitbekommen hatte. Das war nie sehr vertieft worden, denn er hatte sich in seiner Jugend gezwungen gesehen, wegen des zweiten Weltkriegs seine Schulausbildung zu unterbrechen, wie so viele junge Leute seines Alters. Da er jedoch alle Einzelheiten über den Fall wissen musste, konzentrierte er sich:
    PCB war der Sammelbegriff für eine Substanzklasse, die weit über zweihundert bekannte chemische Verbindungen umfasste. Sie fanden in älteren Geräten immer noch praktische Anwendung.
    Vogler trank erneut und sah skeptisch auf die goldbraune Oberfläche des heißen Getränks, ob er dort nicht etwas ölig Schillerndes entdeckte. Er las weiter. Die verkauften Produkte waren immer Gemische aus zig verschiedenen Verbindungen dieser Substanzklasse gewesen. Alle trugen klangvolle Handelsbezeichnungen, die von den Marketingabteilungen der Chemiekonzerne erdacht worden waren. PCB wurde als wahrer technischer Wunderstoff mit vielen vorteilhaften Eigenschaften beschrieben. Praktisch nicht entflammbar, gute Wärmeleitfähigkeit, chemische Stabilität und kaum in Wasser zu lösen. Auf der anderen Seite schienen diese PCB eine teuflische Sache zu sein. PCB waren Kontaktgifte. Die bloße Berührung mit der Haut war schon extrem gefährlich.
    Vogler stellte bei seiner Lektüre fest, dass Japan infolge des Yusho-Unfalls die Produktion und den Verbrauch seit 1974 eingestellt hatte. Die USA – zuvor waren sie der mit Abstand größte Hersteller und Konsument – hatten innerhalb des Zeitraumes zwischen 1974 und 1978 die Zahlen auf null heruntergeschraubt. Großbritannien benötigte ebenfalls praktisch keine PCB mehr. Als Spitzenverbraucher und -exporteur in der Welt hatte die Bundesrepublik Deutschland bis 1983, als die Produktion endlich eingestellt wurde, unbestreitbar die Liste der letzten Giftmischer angeführt.
    Vogler lehnte sich zurück und sah eine Zeitlang erstaunt aus dem Fenster. Dann rief er Montag an.
    "Das ist ja ein vielleicht ein Sauzeug!", rief er in den Hörer.
    "Ja, Sauzeug ist ein guter Begriff dafür. Heute finden wir es überall im

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