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Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)

Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition)

Titel: Schröders Verdacht - Der Italien-Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lutz Kreutzer
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überquerte. Er fotografierte sie abermals. Dann waren sie im Eingang eines Wohnhauses verschwunden. Er lief hinterher und las die Namensschilder auf der Klingel. Ein Schild war unbeschriftet. Vogler lächelte hämisch und drückte auf den kleinen roten Knopf seines Diktiergerätes: "Leclerq hat sich ein Liebesnest gemietet. Was seine Frau wohl dazu sagen würde?"
    *
    Ganter saß auf dem federnden Sitz des großen Lastzuges und beobachtete den Straßenverkehr hinter ihm in dem gekrümmten Rückspiegel mit Panoramablick. Die Lichter der nachfolgenden Autos blendeten ihn, denn seine Augen hatten sich bereits auf die Dunkelheit eingestellt.
    Er passierte Gießen. Seine Fahrt wendete sich allmählich aus der südöstlichen Richtung, welche die Autobahn vom Siegerland bis hierher eingehalten hatte, nach Nordosten. Er würde über Erfurt weiter nach Leipzig fahren, um dann in der Nähe von Bitterfeld im Norden von Leipzig seinen Auftrag zu erledigen.
    Bitterfeld, allein das Wort ließ ihm vor lauter Unbehagen das Blut in den Adern gerinnen. Diese Gegend an der Grenze zu Sachsen war mit Abstand die schlimmste Dreckschleuder Mitteleuropas. Wenn man Ost-Thüringen mit seinen verheerenden Industrieabfällen noch dazu rechnete, war diese Region die größte Umweltbombe, die vorstellbar war. Die Chemieindustrie der ehemaligen DDR hatte das verursacht. Jahrzehntelang hatte niemand etwas dagegen unternommen. Über offenen Teichen, gefüllt mit bunt schillerndem Industrieschlamm, hingen Wolken aus bedrohlich schweren Gasen, die beim normalen Atmen schon nach wenigen Minuten Kopfschmerzen verursachten. Die Luft war so verpestet, dass man hier gesunde Kinder mit der Lupe suchen musste. Viele Menschen, die hier wohnten, sahen aus, als wäre ihre Haut gebleicht worden und als wäre ihr Blick schon vor Jahren eingefroren. Bitterfeld machte schwermütig.
    Ganter hasste diesen Ort inbrünstig. Er war hier aufgewachsen. Als junger Mann hatte er es geschafft, nach Ost-Berlin zu gehen. Diese Gegend hatte ihn krank gemacht. Seine ganze Familie war krank geworden. Eigentlich half hier nur noch eins, dachte Ganter: die ganze Region zubetonieren.
    Er empfand nicht die Spur eines schlechten Gewissens bei dem Gedanken an das, was er dort zu tun hatte. Es war nur ein kleiner Tropfen auf einen riesigen heißen Stein, was er dem schon vorhandenen Dreck hinzufügen würde. Und Leqlerq hatte ihm glaubhaft vermittelt, dass man damit endlich zeigen könnte, welche Schweinereien hier passiert waren. Er schob eine Kassette in den Schacht des Abspielgerätes und drehte die Lautstärke so weit auf, dass der hämmernde Heavy Metal-Rhythmus seine Schmerzgrenze fast überschritt.
    Um zwei Uhr morgens hatte er sein Ziel erreicht. Die Straße war durch unzählige Schlaglöcher nur schwer zu passieren. In der Dämmerung zeichnete sich am Horizont gespenstisch die Silhouette der Industrieanlagen des ehemaligen VEB-Kombinats Kühlanlagen ab. Es dauerte eine Zeit, bis er den schwer beladenen Lastzug mit dem Sattelanhänger an sein Ziel gebracht hatte.
    Das Licht seiner Scheinwerfer traf auf ein großes Tor, das in dem Moment geöffnet wurde, als es in Ganters Blickfeld auftauchte. Ein kleinwüchsiger, dunkelhaariger Mann hielt Wache. In seiner Hand hielt er eine Taschenlampe. Ganter fuhr den Sattelzug auf das Gelände. Hinter ihm wurde das Tor wieder geschlossen. Der Mann kam auf das Führerhaus zu. Ganter drehte die Scheibe herunter.
    "Morgen, Herr Schmidt", sagte der Mann mit stark sächsischem Akzent und leuchtete ihm ins Gesicht.
    Ganter hasste diese Sprache. Er hatte sie weitgehend aus seinem eigenen Idiom ausgemerzt. Aber jetzt konnte er sie brauchen. "Morgen", erwiderte er mürrisch. "Alles klar soweit?"
    "Alles klar."
    "Sie können gleich anfangen. Ich bin der Einzige auf dem Gelände. Alle anderen sind nach Hause geschickt worden."
    "In etwas mehr als einer Stunde bin ich fertig!"
    "Gut. Ich bin solange in meiner Buchte", sagte der Mann und deutete auf das kleine Haus, das am Beginn der Fabrik stand. "Hoffentlich gibt es heute nicht schon wieder Randale."
    "Was für Randale?"
    "Da hinten steht doch das Ausländerwohnheim des Kombinates. Da leben ungefähr fünfzig Schwarzafrikaner, die hier zu Zeiten der DDR gearbeitet haben. Jetzt will sie niemand mehr. Andauernd kommen diese Nazi-Glatzköpfe und machen Ärger. Schmeißen mit Steinen und drohen, sie zu verprügeln und umzubringen."
    Er wendete sich ab, hob seine Hand zum Gruß und schritt auf das Gebäude

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