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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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hier nichts mehr für uns. Gehen wir woandershin.«
    »Heute ist doch ›Zenith‹«, kam es Lina plötzlich in den Sinn.
    »Klar, gehen wir doch dorthin!«, rief Valerie.
    Unterwegs hatte Lina einen kleinen Wutanfall wegen Anne, anschließend lachte sie und sagte: »Du warst ja auch nicht besser dran mit Valentin.« Kurze Zeit später hatten beide die misslungene Party vergessen.
    ›Zenith‹ war eine Ü-40-Disco, im Klartext eine Disco für Leute, die tanzmäßig eine ganze Weile vor Techno sozialisiert worden waren. Einmal im Monat kamen zahlreiche ›Übervierziger‹, die sich nicht in die zahllosen angesagten Klubs der Stadt trauten, weil sie ungefähr 100 Jahre zu alt waren, aus ihren Löchern, um abzutanzen. Lina und Valerie waren oft dabei, manchmal sogar Leon, Valeries Nachbar. Sie kamen gerade richtig für ein Italo-Rock-Set an, schmissen ihre Handtaschen und Jacken in eine Ecke und sich selbst auf die Tanzfläche. Valerie war mitten drin, Lina, wie immer, an der Peripherie. Es war heiß. Nach ein paar Songs ging Valerie, die ihre Freundin aus den Augen verloren hatte, nach draußen, um sich etwas abzukühlen. Sie hörte Linas Stimme. Offenbar telefonierte sie. »Verstehe ich das jetzt richtig, ist das eine Liebeserklärung?« Kurze Pause. Dann: »Und es steht niemand neben dir, der dir eine Pistole an die Schläfe hält und dich zwingt, das zu sagen?« Kurze Pause. »Und du bist nicht auf Drogen oder unter Alk-Einfluss?« Valerie zog sich hastig zurück. Das musste Hannes sein, mit dem Lina seit mehreren Jahren zusammen war. Ein Mann, der sich, ohne je ganz von Lina zu lassen, durch große Widerspenstigkeit auszeichnete. ›Meine Halbbeziehung‹, nannte Lina es ironisch. Die Widerspenstigkeit war ja auch ganz auf ihrer Seite. Jedenfalls schien es den beiden miteinander gut zu gehen.
    Hatte er jetzt entdeckt, dass Lina seine große Liebe war?, fragte sich Valerie. Wenn ihr das nur nicht zu viel wird, dachte sie, als ihre Freundin nach wenigen Minuten mit düsterer Miene zurückkam. Aber im nächsten Moment legte D-Jane Marianne Welti ›The Israelites‹ auf, Linas Lieblingsstück, und Valerie sah zu, wie sie tanzte, eckig, wie immer, aber sehr schnell und mit geschlossenen Augen. Kommt schon gut, dachte sie. Später spielte Marianne ›Locomotive Breath‹, Valeries Lieblingslied, zu dem sie das erste Mal mit 16, als sie von zu Hause abgehauen war, in der Jugendherberge in Genua getanzt hatte. Danach liefen die Stones, die Lina naserümpfend ausließ, schließlich folgte Deep Purple, die sie beide liebten, und als das leider unvermeidbare Lateinamerika-Set kam, hauten sie ab. Sobald das Wort ›corazon‹ gesungen wurde, waren sie beide draußen.
    Sie gingen auf ein Glas in die Central Bar beim Kanzlei-Quartierzentrum. Diese war bereits recht voll, aber die Frauen fanden ein freies Tischchen und bestellten Wein und Wasser. Valerie erzählte lustige Anekdoten aus dem FahrGut-Alltag, Lina revanchierte sich mit der Geschichte einer Frau, die zu ihr ins Atelier gekommen war, weil sie ein Bild kaufen wollte, schlussendlich aber davon Abstand genommen hatte, weil es keines gab, dessen Farben zu ihren Vorhängen passten. So etwas ärgerte Lina überhaupt nicht, sie fand es nur amüsant. Dann wurde sie schweigsam. Valerie kam das Telefongespräch von vorhin in den Sinn, das sie mitgehört hatte.
    »Hannes hat eine Stelle in Bern in Aussicht.«
    Die letzten Jahre hatte Linas Freund in Frankfurt gelebt. Er war Deutscher, stammte aus Hamburg und war Finanzanalyst bei einer Großbank. Lina und er verbrachten ab und zu ein paar Tage oder ein Wochenende zusammen entweder in Frankfurt oder Zürich oder irgendwo dazwischen. Nun hatte man ihm eine Stelle beim Eidgenössischen Finanzdepartement in Bern angeboten.
    »Wie das?«, hakte Valerie nach.
    »Nun, er hat sich beworben. Ohne mir was zu sagen. Damit wir uns häufiger sehen können. Sagt er.«
    »Ja, und findest du das gut?«
    »Ich weiß nicht. Eigentlich lief es doch so, wie es war, ganz gut.«
    Mehr war nicht aus ihr herauszubekommen. »Keine Panik«, beruhigte sie Valerie. »Er kommt ja nicht gleich nach Zürich.«
    Lina wechselte das Thema. »Hast du schon was gehört von der Untersuchung des Fischpakets und der anonymen Briefe?«
    Valerie schüttelte den Kopf. »Ich werde am Montag mal anrufen«, meinte sie. »Ich verspreche mir nicht allzu viel davon. Ich zweifle auch daran, dass sich die Polizei dafür allzu sehr ins Zeug legt. Wahrscheinlich ist es nur ein

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