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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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makabrer Scherz. Schließlich bin ich ja nicht umgelegt worden.«
    »Macht es dir Angst?«, forschte Lina.
    »Ich weiß nicht. Manchmal ein bisschen. Aber es macht mich vor allem wütend. Wenn ich den Typen vor mir hätte – der könnte was erleben.«
    Sie sah auf und bemerkte auf der anderen Seite der Bar am Tresen ihren Mechaniker Markus mit Hugo Tschudi. Markus wirkte ziemlich angetrunken, Hugo redete auf ihn ein, und er hatte, als der Jüngere in sein Bierglas schaute, wieder diesen Blick, der Valerie gar nicht gefiel. Was die wohl für ein Thema haben?, grübelte Valerie. Im nächsten Moment sah sie Raffaela Zweifel, die Großnichte der alten Frau Zweifel, hereinkommen. Sie war wirklich attraktiv. Trug eng geschnittene Jeans und ein rotes Lederjäckchen, das ein paar Zentimeter oberhalb des Jeansgürtels endete. Ob sie nicht friert?, fragte sich Valerie. Als Hugo die junge Frau erblickte, zog sich ein schmales Lächeln über sein Gesicht, bei dem seine Augen nicht mitmachten. Er hob die Augenbrauen und winkte Raffaela heran. Ach, die kennen sich?, wunderte sich Valerie. Raffaela schien das Zusammentreffen unangenehm zu sein. Sie nickte dem Mann nur kühl zu, schaute sich kurz in der Bar um und verschwand wieder. Hugo sah ihr nach. Einen Moment lang erkannte Valerie Wut in seinem Blick, bevor er ein unangenehmes Lächeln aufsetzte, das Valerie an die Szene erinnerte, als er aus Schiessers Laden geflogen war.
    Gegen ein Uhr trennten sich die beiden Frauen vor Linas Haustür. Lina hatte ihrer Freundin angeboten, sie zu begleiten, aber Valerie hatte entschieden abgelehnt. Sie ging durch die stillen Quartierstraßen ihrem Haus zu. In einiger Entfernung hörte sie Schritte hinter sich. Noch vor einer Woche hätte sie sich nichts dabei gedacht. Jetzt ging sie etwas rascher. Sie nahm wahr, dass die Person hinter ihr ihren Schritt ebenfalls beschleunigte und näher kam. Einen Moment stieg Panik in ihr hoch, gefolgt von einer Welle von Zorn. Sie kämpfte ihren Impuls wegzurennen nieder, verlangsamte ihren Gang, ließ ihren Verfolger aufschließen. Dann drehte sie sich abrupt um, stand breitbeinig da, die Arme vor dem Körper gekreuzt, wie sich die Judo- oder Karatekämpfer hinstellen. Es war ein Bluff, sie konnte überhaupt keine Selbstverteidigung.
    »Ist was?«, fuhr Valerie den Mann an.
    Der starrte ein paar Sekunden zurück. Machte dann einen Schritt auf sie zu. In dem Moment ging ein Haus weiter die Türe auf, ein paar Leute traten lachend und schwatzend heraus. Der Mann drehte sich um und ging weg. Eine Minute später fiel die Haustüre hinter Valerie ins Schloss. Sie stieg langsam, mit weichen Knien die Treppe hinauf. Hatte sie jetzt eben verdammtes Glück gehabt? War das der Mann gewesen, der sie seit ein paar Tagen bedrohte? Oder war das irgendein Typ, der sich nachts in den Straßen herumtrieb? Jedenfalls sollte er sich in dieser Nacht an keine andere Frau heranmachen können. Valerie wählte die Polizeinotrufnummer und gab eine Beschreibung des Mannes durch. Hoffentlich konnte ihn ein Streifenwagen aufgreifen.
     

Dienstag, 2. Woche
    1. Teil
    »Okay«, sagte Valerie, »wenn du willst, kannst du zweimal die Woche kommen. Am Montag, wenn der Laden geschlossen ist, vier Stunden, dann putzt du den oberen Stock, und am Donnerstag zwei, da arbeitest du unten. Du kriegst 25 Franken pro Stunde.« Markus’ Freundin gefiel ihr. Sie hieß nicht Sibylle, wie sie anfänglich verstanden hatte, sondern Sibel, Sibel Evren, und war Türkin. Valerie fragte sich flüchtig, ob Markus ihren Namen absichtlich undeutlich ausgesprochen hatte, und falls ja, warum. Jedenfalls wusste sie jetzt, woher Markus die paar Brocken Türkisch konnte, die er letzte Woche an den beiden albanischen Mädchen, die sich in den Laden verirrt hatten, ausprobiert hatte. Sibel war etwas über 30, seit zehn Jahren in der Schweiz, hatte die C-Bewilligung und sprach recht gut Deutsch. Eine Ausbildung hatte sie nicht, sondern schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch. Geputzt habe sie schon öfter, erklärte sie. Sie wohnte bei Markus. Vermutlich putzt sie dort auch, mutmaßte Valerie. Sie wirkte schüchtern und es schien ihr viel an dem Job zu liegen. Valerie führte sie durch die Räume und erläuterte alles im Detail.
    »Ich werde sehr gern diese Arbeit machen«, versicherte Sibel. »Ist auch gut, wenn schwarz«, erklärte sie entgegenkommend, aber Valerie winkte ab.
    »Nein, du kannst kommen, aber wir machen das mit allen nötigen Formularen,

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