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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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bisherigen Erkenntnissen und ließ sich die vergangenen Tage durch den Kopf gehen, während er auf Zita Elmer wartete. Er hatte keine freien Ostertage gehabt, aber das war ihm egal. Am Freitag hatte er ohnehin Dienst schieben müssen und für die folgenden Tage hatte er nichts Besonderes vorgehabt. Und Ermittlungen bei einem Verbrechen konnte man nun mal nicht vor Feiertagen tiefgefrieren und am nächsten Arbeitstag wieder auftauen. Und es hatte sich gelohnt. Zumindest eine interessante Sache hatte er herausgefunden. Vielleicht war es eine Spur, die weiterhalf.
    Am Samstagvormittag, auf dem Weg ins Büro, hatte ihn eine Frau betont und vorwurfsvoll gegrüßt, die ihn offenbar kannte und der Meinung war, er hätte zuerst grüßen müssen. Er hatte keinen Schimmer, wer sie war. Solche Situationen, auf die er sich nicht vorbereiten konnte, erfüllten ihn bis heute mit Unbehagen. Er war förmlich ins leere Büro geflohen, wo er sich sicher fühlte. Hatte sich einmal mehr an sein schlimmstes Prosopagnosie-Erlebnis erinnert. War schon Jahrzehnte her. Aber die Vergangenheit ist nicht tot. Sie ist nicht einmal vergangen. Da hatte William Faulkner schon recht gehabt. Es war auf einem Fest gewesen, er hatte nicht viele Leute gekannt. Eine hübsche Frau war ihm aufgefallen, die allein dagestanden hatte. Er war zu ihr hingegangen und hatte sich vorgestellt: ›Hi, ich bin Beat.‹
    Sie hatte ihn befremdet angeschaut und dann mit kühlem Spott geantwortet: ›Ich weiß.‹
    In diesem Moment war ihm schlagartig aufgegangen, dass er sie von der Uni kannte. Wäre die Feier nicht auf einem Schiff gewesen, das eben vom Flussufer ablegte, hätte er die Party augenblicklich verlassen. Damals hatte er nicht gewusst, dass seine gelegentliche Ungeschicktheit einen Namen hatte. Na ja. Aber Valeries Gesicht war ihm vom ersten Moment an im Gedächtnis geblieben.
    Er schob seine Gedanken beiseite und wandte sich der Arbeit zu. Vom Rechtsmedizinischen Institut hatte er am Morgen die Auskunft erhalten, dass die Todesursache bei Hugo Tschudi tatsächlich Schläge mit dem Hammer gewesen waren, in Verbindung mit dem Treppensturz, und dass der Tod kurz nach 22 Uhr eingetreten war. Auch die Rechtsmediziner machten Wochenenddienst, wenn es nötig war. Hugo Tschudi. Der Schlüssel zum Verständnis dieses Verbrechens musste in der Persönlichkeit des Opfers liegen.
    Streiff hatte vorgeschlagen, dass Elmer für den aktuellen Fall seine Mitarbeiterin wurde, als Frau vor Ort gewissermaßen, was ihm zugestanden worden war. Nun wollte er mit ihr den Stand der Dinge besprechen. Sie interessierte sich für den Fall und sie war eine motivierte junge Polizistin. Möglicherweise hatte sie Beobachtungen gemacht, die weiterhelfen konnten, vielleicht erzählten ihr manche Leute, die sie als Quartierpolizistin kannten, mehr als ihm, dem Ermittler, der von außen kam.
    Eben hatte er eine Wiederholung der Nachrichten vom Vorabend im Lokalfernsehsender angesehen. Natürlich brachte Züri TV einen Bericht, obwohl die Polizei gestern keine neuen Informationen herausgegeben hatte. Solche Ereignisse waren ganz nach dem Geschmack eines Lokalsenders. Eine Journalistin mit einem Mikrofon in der Hand stand vor den Räumlichkeiten des FahrGut und befragte Nachbarn und Passanten. Für jeden Tag, an dem der Fall nicht gelöst war, mussten sich die Lokalmedien eine neue Schlagzeile aus den Fingern saugen. Am Donnerstag war Luís Zafar, der Lehrling, aufgetreten. Der hatte ganz gern in die Kameras geredet. Ins Fernsehen kommen. Fünf Minuten berühmt sein. Valerie hatte das vermutlich nicht gefallen.
    Valerie. Er hatte sie etwas mehr als vier Jahre lang nicht gesehen. Dass er kurz nach ihrer Affäre den Posten Wiedikon verlassen und in die Zeughausstrasse gewechselt hatte, hatte nichts mit ihr zu tun gehabt. Aber es war ihm recht gewesen. Es war von Anfang an für beide klar gewesen, dass ihr Verhältnis nicht von Dauer war und nicht mehr als eine flüchtige Geschichte sein konnte. Seine Scheidung lag noch nicht lange zurück und er wollte sich nicht gleich auf eine neue Beziehung einlassen. Und Valerie hatte mit diesem Lorenz Stucki zusammengelebt. Was sie jetzt nicht mehr tat. Das hatte Streiff in aller Beiläufigkeit in Erfahrung gebracht. ›Quacksalber‹ hatte er Stucki im Stillen genannt. Wie auch immer, seinen nüchternen Blick auf den Fall würde die Anwesenheit Valeries nicht trüben.
    Streiff sah seine Notizen durch. Hugo Tschudi hatte sich vermutlich den

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