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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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Arbeit hineinfunken. Er, Streiff, setzte alles daran, möglichst gute Grundlagen für die Beurteilung eines Verbrechens zu liefern. Das würde er auch in diesem Fall tun. Valerie Gut hin oder her.
    Eines war bereits klar: In den Laden war nicht eingebrochen worden. Die Hintertür war mit einem Schlüssel geöffnet worden. Wer hatte alles Zugang? Und: Waren alle Schlüssel dort, wo sie hingehörten?
    Streiff nahm sich zuerst Luís Zafar vor, der nervös auf dem Stuhl herumrutschte. Sein Deutsch war ziemlich schlecht, aber Streiff bekam dennoch aus ihm heraus, dass am Vorabend das ganze Team den Laden gleichzeitig verlassen hatte, dass sie noch über den Diebstahl spekuliert hatten. Der Lehrling war seither geknickt, weil er den großen Geldbetrag einfach in die Kasse gelegt hatte und dadurch mitschuldig daran war, dass dieser gestohlen worden war. Vielleicht hatte ihm Valerie irgendwann gesagt, er müsse ihr große Noten geben, er wusste es nicht mehr. Aber jetzt war etwas viel Schlimmeres geschehen. Ob die beiden Dinge miteinander zu tun hatten?, sinnierte Luís im Geheimen. Aber er sagte nichts davon. Er hätte es nicht erklären können.
    »Nicht wissen, wer gemacht«, zuckte er ratlos die Schultern. »Nichts gesehen.« Das Opfer hatte er nur flüchtig gekannt. Einmal hatte Tschudi Luís’ unbeholfenes Deutsch nachgeahmt. Seither ging ihm der Anlehrling lieber aus dem Weg. Aber das sagte er dem Polizisten nicht. Es war ihm aufgefallen, dass die Chefin Tschudi nicht leiden konnte. Auch das sagte er dem Streiff nicht. Abends hatte er zuerst mit seinen Eltern gegessen, danach war er mit einigen Kollegen im Jugendtreff Dynamo gewesen. Ja, er hatte einen Ladenschlüssel. »Wer zuerst kommt, kann aufmachen«, erklärte er. »Aber ich nie der Erste«, gab er freimütig zu. »Trotzdem Schlüssel.« Er zeigte ihn vor. »Und Reserveschlüssel ist in Kasse«, fügte er hinzu.
     
    *
     
    Auch Markus Stüssi hatte seinen Schlüssel. Er hatte den Abend mit seiner Freundin Sibel Evren zu Hause vor dem Fernseher verbracht.
    »Ihre Chefin hat ausgesagt, Sie hätten das Opfer näher gekannt«, bemerkte Streiff.
    Der Mechaniker zuckte die Schultern. »Wir haben ab und zu zusammen ein Bier getrunken.«
    »Worüber haben Sie sich unterhalten?«
    »Über Fahrräder halt und so.«
    »Wissen Sie etwas über seine persönlichen Verhältnisse? Stimmt es, dass er bei seiner Mutter wohnte?«
    »Nein«, sagte er, »seine Mutter ist vor einiger Zeit gestorben. Aber er ist danach in ihre Wohnung gezogen und lebte bis jetzt, glaub ich, dort.« Bei ihm gewesen war er nie.
    »Wo hat er gearbeitet?«
    Soviel Stüssi wusste, gar nicht. Oder nur unregelmäßig. Wovon er gelebt hatte, wusste er nicht.
    »Wissen Sie von Freunden, Bekannten von ihm?«
    Wieder schüttelte Markus den Kopf. »Kaum. Na ja, er hat Raffaela Zweifel gekannt, die Großnichte der alten Frau, die hier im Haus wohnt. Wir haben sie mal in einer Bar angetroffen. Aber ich glaube nicht, dass sie Freunde waren.«
    »Feinde?«
    Der Mechaniker schaute drein, als ob er das Wort nicht kennen würde. Dann schüttelte er den Kopf.
    »Haben Sie eine Idee, wie und warum er gestern Nacht in das Geschäft gekommen ist und mit wem?«
    Markus Stüssi hatte keine Idee. Aber Ideen waren, wie Streiff vermutete, ohnehin nicht Stüssis starke Seite. Er entließ ihn.
    Bevor Streiff sich Valerie Gut vorknöpfte, gab ihm Zita Elmer rasch durch, dass in der Hosentasche des Toten ein Schlüssel gefunden worden war, der zur Ladentür des FahrGut passte. Es waren Fingerabdrücke des Verstorbenen darauf. Zudem hatte sie abgeklärt, dass der Reserveschlüssel nicht mehr in der Kasse lag.
    Dann saß Valerie Gut ihm gegenüber. Auch sie hatte ein Alibi. Sie hatte den Abend mit ihrem Nachbarn verbracht. Beat Streiff fragte sie nach Hugo Tschudi. Sie erzählte ihm von den Diebstählen, von ihrem Verdacht gegen das Opfer, von ihrem unguten Gefühl ihm gegenüber, vom Unbehagen, weil er sich mit Markus traf, ebenso von der Szene, die sie bei Schiesser beobachtet hatte, von Hugos Blick.
    »Du konntest ihn also nicht leiden«, stellte Streiff fest.
    »Nein«, gab Valerie zu. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie und ihr Team nicht einfach von einem schrecklichen Unglücksfall betroffen waren, Auskünfte zu geben hatten und im Gegenzug Trost erwarten konnten, sondern dass sie zum Kreis der Verdächtigen gehörten, wenn sie nicht sogar schlicht und einfach der Kreis der Verdächtigen waren.
    Auskünfte hatte Valerie

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