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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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fügte sie hinzu: »Sie habe ich übrigens auch gesehen. Jetzt muss ich gehen. Mama wartet.« Und schon war sie aus dem Laden geschlüpft.
    »Markus, was sollte das eben?« Valerie war verärgert. »Warum hältst du dich nicht einfach raus, wenn Adele dir auf die Nerven geht? Und was sollte der Vorwurf, sie habe Frau Zweifel bestohlen? Wolltest du sie damit vertreiben?«
    Markus knurrte etwas von dummem Kindergeschwätz, das ihn bei der Arbeit störe. Na ja, er war nie besonders freundlich zu den Kindern gewesen, die ins Geschäft kamen. Zudem war er wohl mit den Nerven runter, überlegte Valerie. Und wegen seines Charmes hatte sie ihn ja nicht eingestellt. Am besten, sie ließ ihn sich in Ruhe ein Rad nach dem anderen vornehmen und kümmerte sich selbst um die Kundschaft. Adeles Bedrücktheit ging ihr noch eine Weile nach. Gestern Abend hatten Moshe, Deborah und Aron den ausgeliehenen Anhänger zurückgebracht. So pünktlich wie nie zuvor. Natürlich ein bisschen ängstlich, aber gleichermaßen aufgeregt und neugierig. ›Was ist denn passiert? Wissen Sie, wer es gewesen ist? Dürfen wir schauen?‹ Klar, so waren Kinder. Aber Adele, die ein lebhaftes, an allem interessiertes Mädchen war, hatte keine Spur von Neugier gezeigt. Was bedrückte das Kind? Der Streit? Okay, Adele, dachte Valerie, ich werde es weiterleiten. Sie hatte nun schon eine Liste von kleinen Informationen, über die sie Beat in Kenntnis setzen wollte. Heute Abend rufe ich ihn an, nahm sie sich vor.
     
    *
     
    Valerie bedeutete Markus, er brauche sich nicht zu kümmern, als eine ältere Kundin den Laden betrat. Sie habe Rückenschmerzen, erklärte sie, und ihre Physiotherapeutin habe ihr zu einem Velo mit einer Federgabel geraten. Valerie kannte das Problem. Federgabeln als Therapie für kaputte Rücken lagen im Trend. Ich sollte einen Fortbildungskurs für Physiotherapeuten anbieten, dachte Valerie, mit dem Titel ›Gegen den Irrglauben an die Federgabel‹. Geduldig erklärte sie der Kundin die Wirkung einer solchen Gabel.
    »Mit einer Federgabel wird das Rad vorne angehoben, weil sie mehr Platz braucht. Das heißt, der Abstand zwischen Pedal und Boden wird größer, was beim Absteigen ein Problem sein kann. Deshalb stellt der Velofahrer den Sattel tiefer und macht sich so beim Pedalen die Knie kaputt. Und dem Rücken geht es dadurch nicht besser.«
    Die Kundin wirkte nicht überzeugt. »Aber meine Physiotherapeutin hat mir dazu geraten«, wiederholte sie.
    Valerie zuckte höflich die Schultern. »Die Federgabel federt vorne, nicht am Rücken«, fügte sie hinzu.
    Die Kundin verabschiedete sich etwas unzufrieden.
    »Willst du den Laden ganz ruinieren?«, kam es aus dem Hintergrund der Werkstatt von Markus. Er schien wirklich erbost zu sein. Dass er Valerie kritisierte, war bis heute nie vorgekommen und es stand ihm auch nicht zu. Vielleicht hatte er die Befürchtung, der Laden würde schließen müssen und er wäre von Neuem arbeitslos.
    »Es widerstrebt mir total, den Leuten etwas zu verkaufen, was ihnen nichts bringt, selbst wenn ich damit Geld verdienen könnte«, gab Valerie knapp zurück. Sie wusste, dass es heikel war, gegen aktuelle Trends zu beraten. Aber sie vertraute darauf, dass es längerfristig eben doch das bessere Rezept war. Jawohl, längerfristig, dachte sie trotzig. Die Frau wird mit ihrem untauglichen Federgabelvelo noch reuevoll an mich denken, wenn längst kein Hahn mehr nach dem Mord in meinem Veloladen kräht.
     

Donnerstag, 3. Woche
    1. Teil
    Beat Streiff war wütend. Hätte er ein altmodisches Telefon gehabt, hätte er jetzt den Hörer auf die Gabel geknallt. Aber bei dem kleinen eleganten Ding konnte er nur auf eine winzige Taste drücken, um ein Gespräch zu beenden. Völlig ungeeignet für einen ordentlichen Aggressionsabbau. Warum hatte es so lange gedauert, bis er diese Information bekommen hatte? Ach, er wollte es gar nicht im Detail wissen; es war einfach Schlamperei.
    Gestern Abend hatte Valerie ihn angerufen, mit ein paar kleinen, vielleicht nicht unwichtigen Informationen. Sie hatte ihm erzählt, dass Raffaela Zweifel, die Großnichte der alten Frau Zweifel, Hugo Tschudi gekannt hatte. Also immerhin eine weitere Bekannte des Opfers. Und das kleine Mädchen aus dem Quartier, Adele Goldfarb, hatte die beiden bei einem Streit beobachtet. War sie vielleicht auch von ihm belästigt worden? Er würde der Sache nachgehen. Was hatten eine smarte junge Sekretärin und ein randständiger, radikaler Fahrradfreak

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