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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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Händen einer Fachfrau zu sehen. Nein, im Artikel war nicht nur die Inhaberin erwähnt worden, sondern es waren zudem die Brompton-Falträder beschrieben worden. Und er, auf dem Weg ins Appenzellische, zur Kur in Heiden, wollte ein solches Faltrad kaufen, um damit die Umgebung seines Kurorts zu erkunden. Valerie führte ihn in den Ausstellungsbereich in der unteren Etage, über Hugos Körper hinweg, und innerhalb einer halben Stunde hatte sie ein teures Brompton verkauft. Der Taxifahrer verstaute es im Kofferraum und Tabaré Antonio Flores reiste nach Heiden weiter. Sein Besuch war wie ein Spuk. Aber Valerie hatte es gutgetan, einen Kunden im Laden zu haben, der nichts von den Vorfällen der letzten Woche wusste, für den FahrGut nichts als ein ganz normales Fahrradgeschäft war. Heute Abend würde sie Lina anrufen. Ihr würde diese schräge kleine Geschichte gefallen.
    Valerie war vor ein paar Jahren einmal, zusammen mit einigen anderen Zürcher Fahrradhändlern, von der Firma Brompton drei Tage nach London eingeladen worden. Fabrikbesichtigung, Essenseinladungen, Stadtrundfahrt auf Brompton-Falträdern.
    »London?«, hatte Lina gerufen. »Dort ist doch der Stein von Rosetta. Im British Museum! Das Original! Über 2.000 Jahre alt! Den würde ich gerne mal sehen!«
    Valerie hatte sie verstanden. Lina liebte alte Schriftstücke. Als sie vor einem Jahr in Istanbul war, hatten sie nicht die Hagia Sophia, nicht der Basar, nicht die Istiklal Caddesi am meisten beeindruckt, sondern die paar kleinen Tontäfelchen der Sumerer im Archäologischen Museum, 5.000 Jahre alt, mit ihren in Keilschrift eingeritzten Texten.
    »Komm doch mit nach London«, hatte Valerie vorgeschlagen. Zusammen hatten sie sich andächtig den Stein von Rosetta angesehen. Während Valerie später mit ihren Kollegen in Sachen Falträder unterwegs war, hatte sich Lina in Galerien und in der Tate Modern herumgetrieben und bei Harrods Bücher, Schokolade und Tee gekauft. Eine Sightseeingtour per Fahrrad war nichts für sie. Mit dem Velo fuhr sie höchstens bis zum nächsten Supermarkt.
     

2. Teil
    Diesmal wurde die Ladentür nicht weit aufgestoßen, sie öffnete sich nur einen Spalt und herein schlüpfte Adele Goldfarb. Markus warf ihr einen genervten Blick zu, er konnte mit Kindern nichts anfangen. Aber Seppli hob den Kopf, streckte sich, stieg aus seinem Bettchen und trabte dem Mädchen entgegen. Valerie freute sich.
    »Hey, Adele, schön, dass du hereinschaust!«, begrüßte sie das Kind.
    Die Kleine sagte nichts, sie blieb einfach stehen und sah sich ängstlich um.
    »Komm, Adele«, ermunterte sie Valerie, »setz dich zu mir, dann können wir reden, während ich arbeite. Du weißt ja, dass vor einer Woche etwas Schlimmes passiert ist. Du darfst mich gerne fragen, was du wissen möchtest.«
    »Meine Mutter hat mir verboten herzukommen«, gestand das Mädchen. »Weil hier jemand getötet worden ist.«
    »Ja, das stimmt. Zwei Leute sind nachts in den Laden eingedrungen, als wir alle nicht da waren. Sie haben miteinander Streit bekommen und der eine ist getötet worden. Aber die Polizei sucht den, der das gemacht hat. Sie wird ihn sicher finden.«
    »Nicht wahr, es ist Herr Tschudi, der tot ist?«, wollte Adele wissen. »Ich habe ihn auch gekannt.« Sie schaute vor sich hin. Dann fragte sie: »Haben Sie Frau Zweifel gesehen?«
    Valerie erzählte ihr, dass Frau Zweifel hingefallen war und jetzt mit einer Gehirnerschütterung im Bett lag.
    »Ist sie noch lange krank? Kann ich sie besuchen?«
    »Nein, in ein paar Tagen geht es ihr sicher wieder gut«, tröstete Valerie. »Aber es ist besser, du besuchst sie nicht, wenn sie Ruhe hat, kann sie sich besser erholen. Ihre Großnichte pflegt sie.«
    »Die kenne ich auch«, sagte Adele, nachdem sie eine Weile geschwiegen hatte. Sie schwieg weiter, schließlich erzählte sie stockend: »Ich habe Herrn Tschudi mit ihr gesehen. Sie hatten Streit. Die Frau Zweifel war furchtbar wütend.« Pause. »Vielleicht war Herr Tschudi in Frau Zweifel verliebt und sie nicht? Sie ist sehr hübsch, aber er war alt und roch nicht gut.« Pause. »Oder warum haben sie gestritten?«
    »Macht dir das Sorgen, Adele?«
    Plötzlich mischte sich Markus ein. »Hör auf mit deinen dummen Geschichten, das geht dich alles gar nichts an!«, fuhr er das Mädchen an. »Und überhaupt: Frau Zweifel ist das Handy geklaut worden. Hast du es etwa genommen? Ich habe gesehen, wie du es immer angeschaut hast!«
    »Nein!«, wehrte sich die Kleine. Dann

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