Schrottreif
miteinander zu tun? Auch Schiesser würde er nochmals befragen. Oder Zita Elmer zu ihm schicken. Ein teures Fahrradschloss, das erst seit Neuestem in der Schweiz verkauft wurde und von dem ein Exemplar aus dem FahrGut verschwunden war, funkelte in Schiessers Schaufenster, der seine Waren normalerweise bei Luchsinger bezog. Aber nicht jenes Schloss. Streiff hatte zugeben müssen, dass er mit den Ermittlungen im Moment nicht recht weiterkam. Vor allem hatten sich keine Hinweise auf einen Komplizen beim Eindringen in FahrGut ergeben. Keine klaren Spuren im Lokal, und keine der wenigen Anschriften im Adressbuch hatte weitergeholfen. Kein möglicher Komplize darunter. Ein paar wenige, desinteressierte Bekannte, aber, so weit man sah, keine Feinde. Streiff hatte ein paar einschlägig vorbestrafte Einbrecher überprüfen lassen, die auf Kleingewerbsbetriebe spezialisiert waren – erfolglos.
Und nun kam heute Morgen – erst heute Morgen! Verdammt! – die Information, dass gegen Hugo Tschudi vor vier Jahren wegen versuchter Erpressung ermittelt worden war. Erpressung konnte ein Mordmotiv sein.
2. Teil
Sibel war im hinteren Teil der Werkstatt dabei, die Fenster zu putzen, Markus hatte sich krankgemeldet, Valerie und Luís wickelten die fünf neu gelieferten ›Schwarzen Schafe‹ aus den Hüllen. Valerie strich über die glänzenden schwarzen Fahrgestelle, die hellbraunen Ledersättel. Auf das Fahrradmodell ›Schwarzes Schaf‹ war sie stolz. Es war ein Rad, das sie selbst zusammengestellt hatte, in Zusammenarbeit mit einer kleinen schweizerischen Velofirma im Luzernischen. Sorgfältig ausgesuchte Einzelteile, alles beste Qualität, Lenker, Schaltung, Licht, Sattel, Bremse, dazu das schöne, schlichte, rabenschwarze Fahrgestell. Das ›Schwarze Schaf‹ war der Longseller von FahrGut, ein Exklusivmodell, der ›Brand‹ sozusagen. Daneben gab es das günstigere Modell mit etwas einfacherer Ausstattung, die silbergraue ›Fledermaus‹. Kurze Zeit hatte sie zudem den ›Roten Hund‹, ein Rennvelo, angeboten, und die ›Gelbe Gefahr‹, ein Citybike, das weniger gut gelaufen war. Das ›Schwarze Schaf‹ liebte sie am meisten. Über 300 Fahrräder dieses Modells hatte sie im Laufe von sechs Jahren verkauft. Beat Streiff hatte eines der ersten erworben. Ob er es bis heute hatte? Interessierte sie das?
Eine halbe Stunde später stand Streiff auf der Matte. Er war natürlich nicht mit dem Velo gekommen. Valerie stellte gerade ein Rad ihres Lieblingsmodells im vorderen Teil des Ladens auf ein kleines Podest, das mit einem Stück Stoff bezogen war, auf dem sich schwarze Schäfchen auf einer Weide tummelten.
»Ich hätte ein paar Fragen an deine Putzfrau, Sibel Evren«, sagte er ohne große Vorreden.
»Ihr könnt euch ins Büro zurückziehen«, bot Valerie etwas überrumpelt an. Sibel war am fraglichen Tag gar nicht hier gewesen. Und geputzt hatte Valerie nach der Tat allein. Sie sah, dass Sibel zusammenfuhr, als Streiff sie ansprach. Sie ging mit ihm nach unten. Die Befragung dauerte ziemlich lange, über eine halbe Stunde. Beat kam allein wieder herauf und ging weg, ohne eine Erklärung abzugeben. Du kannst mich mal, dachte Valerie trotzig.
Sie ging in ihr Büro. Sibel saß bleich auf einem Stuhl, den Kopf in die Hände gestützt. Hatte sie geweint? Was war hier nur los?
»Sibel, es ist gleich Mittag. Magst du auf einen Spaziergang mitkommen?«
Die junge Frau nickte und holte ihren Mantel.
Valerie nahm Seppli an die Leine. Sie gingen durch die Zurlindenstrasse zur Sihl und dann in Richtung Allmend. Eine fahle Sonne drückte durch die Wolken.
»Wenn du nicht willst, brauchst du mir nichts zu sagen«, begann Valerie, »aber ich glaube, es geht dir überhaupt nicht gut.«
»Ich kannte Hugo Tschudi«, sagte Sibel. »Er war schlechter Mensch. Aber ich habe ihn nicht töten, bestimmt nicht!«
»Woher kanntest du ihn denn?«, Valerie ließ Seppli von der Leine, der stocksteif stehen blieb, weil er Angst vor einer Dogge hatte, die ihnen entgegenkam. Erst als die Luft rein war, preschte er los ins Unterholz.
Brockenweise, unterbrochen von Schweigen und hastigen Atemzügen Sibels, die nervös rauchte, manchmal auch unter Schluchzern, kam ihre Geschichte zutage. Sie hatte vor vier Jahren, angestellt bei einer Reinigungsfirma, die Büros eines kleinen Betriebs geputzt. Der Lohn war schlecht gewesen, die Chefin unfreundlich; Sibel war sehr unzufrieden gewesen.
»Dann dort war Hugo«, erzählte die Frau, »Abwart bei
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