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Schrottreif

Schrottreif

Titel: Schrottreif Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Morf
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Raffaela immer wieder bei ihr blicken. Nicht nur deshalb. Aber auch. Salome bekam mit, dass ihre Großnichte jetzt ein geordnetes Leben führte. Arbeitete. Was sie nicht wusste, war, wie die junge Frau ihre Wochenenden verbrachte. Mit Partys, auf denen sie sich ab und zu eine Linie zog. Später neben Männern aufwachte, an die sie sich kaum erinnern konnte. Das hätte der alten Dame nicht gefallen. Natürlich erzählte Raffaela nichts, als sie ihren Job verlor. Sie fürchtete nicht nur Salomes Einfluss auf ihr Gewissen, sondern darüber hinaus handfeste Konsequenzen. Dass die alte Frau ihr Geld ›Ärzte ohne Grenzen‹ vermachte, zum Beispiel.
    Raffaela trank den letzten Rest Kaffee und löffelte sorgfältig den verbliebenen, mit Schokoladenpulver vermischten Milchschaum aus. Ihre Gedanken kehrten zur Befragung zurück. Diese Polizistin war ganz schön tough gewesen. Nicht wesentlich älter als sie. Nicht hässlich, obwohl es ihr nicht schaden würde, fünf Kilo abzunehmen, dachte Raffaela boshaft, aber moralisch wohl eher in der Liga von Salome. Lebte wahrscheinlich in genauer Kenntnis und Beachtung der Grenzlinie zwischen Recht und Unrecht. Ob sie schon mal betrunken gewesen war? Oder einen One-Night-Stand durchgezogen hatte? Vermutlich führte sie eine ›Liebesbeziehung‹. Jedenfalls trug sie einen Ehering. Dumm war sie sicher nicht. Wie hatte sie bloß das mit Hugo herausgefunden? Über Bruno? Sicher wissen konnte die Polizistin nichts, sonst wäre sie anders aufgetreten. Aber sie hatte einen Verdacht.
     
    *
     
    Es war in der Sport-Bar gewesen, wo Bruno und sie vor ein paar Wochen nach dem Flohmarkt ein Bier getrunken hatten. Tschudi war hinzugekommen, Raffaela hatte ihn zum ersten Mal gesehen. Er hatte sich zu ihnen gesetzt und ein Bier bestellt. Er war Raffaela sofort zuwider gewesen. Geduscht hatte er vermutlich vorgestern zum letzten Mal. Und die Art, wie er sie angeschaut hatte. Natürlich wusste sie, dass sie attraktiv war, und sie hatte nichts gegen Männerblicke. Aber sie verachtete alte Männer, die hinter jungen Frauen her waren. Und der da war ungefähr doppelt so alt wie sie. Sicher fast 50.
    Er hatte Bruno gefragt, wie denn die Geschäfte so liefen.
    »Geschäfte? Meinst du das Bewerbungsbusiness oder meinen Kontostand oder was?«, hatte Bruno gefragt.
    »Nein, die Geschäfte. Schicke Musikanlage, die ihr da im Angebot hattet.« Er hatte mit dem Kopf in Richtung Kanzleiareal gedeutet. »Für die habt ihr sicher einiges bekommen?«
    »Ach das«, hatte Bruno abgewiegelt. »Das machen wir für einen Freund. Bringt nicht viel ein.«
    Tschudi hatte Bruno einen langen Blick zugeworfen.
    »Wir sehen uns, wir werden uns sicher einig werden«, hatte er gesagt und war gegangen, ohne sein Bier zu bezahlen, aber nicht ohne Raffaela nochmals ausgiebig zu taxieren. ›Wir sehen uns‹; das hatte nicht nur nach einem nachlässigen Gruß geklungen. Tschudi hatte die Worte betont, Raffaela waren sie wie eine versteckte Drohung vorgekommen. Und was hieß das, dass man sich sicher einig würde. Worüber? Sie hatte Bruno nach ihm ausgefragt, aber der war ausgewichen.
    »Ach was, ein Spinner«, hatte er gesagt. »Den kenn ich halt.«
    Raffaela hatte nicht weitergefragt. Aber ein ungutes Gefühl war geblieben. Sollte sie aus dem Flohmarkthandel aussteigen? Quatsch, sie brauchte das Geld. Glück hatte sie gehabt, dass sie einen Typen wie Bruno kennengelernt hatte, der Kontakte hatte.
    Und doch. Damals hätte ich darauf kommen müssen, dachte Raffaela wieder. Spätestens. Dass mit dem Zeug tatsächlich etwas nicht in Ordnung ist. Wie blöd kann man eigentlich sein?
    Ein paar Tage später hatte sie in diesem Café gesessen, als plötzlich dieser Tschudi hereingekommen war. Man kenne sich doch, nicht wahr? Ohne zu fragen, hatte er sich zu Raffaela gesetzt. Wieder dieser schmierige Blick.
    »Ich wollte eben gehen«, hatte sie erklärt und sich halb erhoben.
    »Oh, du wirst schon ein paar Minuten Zeit haben«, hatte Tschudi widersprochen. Sein Lächeln war unangenehm. Er hatte ihr die Hand auf den Ärmel gelegt. Raffaela hatte ihren Arm hastig zurückgezogen, aber sie hatte sich wieder gesetzt. Tschudi hatte begonnen, Anspielungen zu machen über die Herkunft ihrer Flohmarktwaren. Raffaela, die ja in dieser Hinsicht tatsächlich ihre Zweifel hatte, aber keine Fakten kannte, hatte abweisend und ungeduldig reagiert.
    »Erzähl deinen Quatsch woanders und lass mich in Ruhe.«
    Diesmal hatte Tschudi seine Hand nicht nur auf

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