Schrottreif
Daraufhin ließ Elmer sie gehen. Sie machte sich davon, nicht ohne der Flohmarkthändlerin einen wütenden Blick zugeworfen zu haben, den diese erwiderte. Als Elmer sie darüber aufklärte, dass Angela Legler nicht selbst mit dem Rad zur Polizei marschiert war, sondern von Valerie Gut überrascht worden war, die ihr Velo auf der Straße erkannt hatte, war sie wider Willen beeindruckt. Sie kannte Valerie von den Erzählungen ihrer Großtante, die sie sehr schätzte, und sie war auch selbst schon im Laden gewesen. An Salome wollte sie jetzt sowieso nicht denken. Sie saß ziemlich in der Tinte, so viel war ihr klar. Ihre Gedanken fuhren Achterbahn. Sie musste sehen, wie sie da einigermaßen heil herauskam. Sie hätte Zeit gebraucht, um nachzudenken, aber diese Polizistin ließ ihr keine Minute. Bloß nicht zu viel sagen, überlegte Raffaela verzweifelt. Aber auch nicht zu wenig. Nicht den Eindruck erwecken, ich wolle etwas verschweigen. Einen Strich ziehen zwischen dem, was ich sagen kann, und dem, was draußen bleiben muss. Bruno. Wut stieg in ihr hoch. Warum hatten sie sich nicht abgesprochen? Warum hatte er ihr nicht gesagt, was Sache war? Und wie viel wusste er von dem, was sie ihm verschwiegen hatte? Raushalten konnte sie ihn jedenfalls nicht. Die Polizistin konnte nichts wissen, außer der Geschichte mit dem geklauten Fahrrad. Also streng dabei bleiben. Nichts von der anderen Sache. Es reichte auch so. Würde sie halt den Bauern opfern, um den König zu retten. Sich naiv stellen.
Elmer begann mit den Personalien. Als sie nach dem Arbeitgeber fragte, gab Raffaela Zweifel geknickt zu, arbeitslos zu sein.
»Wie lange schon?«
»Ein halbes Jahr. Und die Arbeitslosenunterstützung reicht nicht weit.« Raffaela fand es besser, nicht auszubreiten, wofür sie ihr Geld gerne ausgab: Kleider. Partys. Ab und zu eine Linie Kokain. Ein Wellness-Wochenende im Tessin. Damit war erst mal Schluss gewesen.
»In einem Weiterbildungskurs des Regionalen Arbeitsvermittlungszentrums habe ich Bruno Trümpy kennengelernt, einen jungen Kaufmann, der arbeitslos geworden war, weil sein Arbeitgeber Konkurs gemacht hatte. Hat er mir jedenfalls erzählt. Er hatte auch nicht viel Geld, aber er hatte eine Idee. Er kam sehr billig an ganz unterschiedliche Neuware heran, Konkursmasse. Und er hat vorgeschlagen, wir könnten sie auf dem Flohmarkt verkaufen.« Raffaela schwieg. Flohmarkt. Sie hatte erst die Nase gerümpft. Aber Bruno hatte erklärt, sie müsse das professionell sehen. Brauchte sie Geld oder nicht? Also.
Elmer ließ sich Adresse und Handynummer von Trümpy geben und erteilte die Order, ihn auf die Wache zu bringen. Dann setzte sie die Befragung von Frau Zweifel fort.
»Haben Sie ihm das geglaubt mit den Waren aus Konkursmassen?«, fragte Elmer.
»Ja, warum nicht?«, gab Raffaela zur Antwort. »Er kannte sich aus.«
»Sind Ihnen keine Bedenken an der Herkunft der Waren gekommen?« Zweifel zuckte die Schultern. Sie habe Bruno nie genauer gefragt. »Wir hatten eine Arbeitsteilung«, erläuterte sie. »Er beschaffte die Ware, ich verkaufte sie auf dem Flohmarkt.«
»Lief das Geschäft gut?«
»Ja, ganz gut«, gab Raffaela zu. »Es war ein idealer Job, weil die Einnahmen schwarz waren und ich trotzdem Arbeitslosengeld erhielt.« Es läuft bestens, dachte sie. Etwas zugeben macht sich gut. Einen Bauern opfern. Sie fühlte sich ein bisschen besser.
»Seit wann haben Sie dieses Business?«
»Seit etwa einem halben Jahr. Was Bruno vorher gemacht hat, weiß ich nicht.«
»Das Fahrrad war jedenfalls gestohlen, und wir werden sehr bald herausfinden, ob die restlichen Gegenstände ebenfalls Hehlerwaren sind. Und wir werden in Erfahrung bringen, ob Sie wirklich so wenig wussten.« Sie zeigte Zweifel eine Kopie des Ausweisfotos der gestohlenen ID, die als Pfand im FahrGut hinterlegt worden war. Raffaela Zweifel kannte den Mann nicht. Es war jedenfalls nicht Bruno Trümpy, auch wenn er ihm vom Typ her ähnlich war.
»Wie gut kennen Sie Bruno Trümpy?«, wollte Elmer wissen.
Die junge Frau zuckte die Schultern. Was solls, dachte sie. »Wir haben was miteinander«, gab sie zu.
»Sie haben eine Liebesbeziehung?«, hakte Elmer nach. »Und Sie sind dennoch so schlecht informiert über die Geschäfte Ihres Freundes? Das glaube ich Ihnen nicht.«
Zweifel reagierte ungeduldig. »Was heißt hier Liebesbeziehung? Wir leben nicht zusammen. Wir haben was miteinander. Dieses Business. Und ab und zu Sex. That’s it.«
Das Telefon
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