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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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etwas leiser. Leider kann er so die Fragen nicht verstehen, die man ihm stellt: Nur dumpfes Wummern erreicht seine Ohren. Zurück oberhalb der Wasseroberfläche erkennt Colin das Alien, das ihn ertränken will, aber die Sprache versteht er immer noch nicht. Sie klingt, als wollten rostige Gabeln die Antwort in Spiegel aus Kristallglas ritzen, ohne freilich eine Spur zu hinterlassen.
    Jemand drückt Colin erneut nach unten, wieder und wieder, zuletzt in Marmelade, Honig und Senf. Bei der extra scharfen Version verliert er endlich das Bewusstsein.
    Jemand schleift Colin Beine voraus durch seine eigene Kotze. Es dauert drei Gänge und zwei schmerzhafte Treppenstufen, bis Colin kapiert, dass dies die Realität ist. Sie tut an den meisten Körperstellen richtig, richtig weh. Daran ist sie leicht vom Albtraum zu unterscheiden.
    Plötzlich lässt der stahlharte Griff um seine Fußknöchel einen Moment lang nach. Es ist keine bewusste Entscheidung, die Colins letzte Kräfte mobilisiert, ihn in alle Richtungen treten lässt wie ein wildes Lama. Es ist ein Fluchtinstinkt, der in ihm geschlummert hat, der auf eine Gelegenheit gewartet hat, unsichtbar, geheim.
    Colin kommt auf die Beine, rennt, schlittert barfuß durch einen feuchten Film auf dem gekachelten Boden. Wendet sich nach rechts, wo die Spur seines Erbrochenen von links kommt.
    Türen, Treppen, Trampeln hinter ihm.
    In einer Art Cafeteria kommt Colin zum Stehen. Er ist so überrascht, einen solch gewöhnlichen Raum in einem Horrorgefängnis vorzufinden, dass ihm nicht nur die Worte fehlen, sondern auch die weiteren Schritte. Deshalb starrt er einfach nur den in blauer Montur gekleideten Kerl an, der am Tresen steht und ein Glas Wasser in der Hand hält, auf halbem Weg zwischen Tisch und Lippen, augenscheinlich genauso überrascht wie Colin. Der Mann überlegt sichtbar, ob er etwas sagen soll und wenn ja, was. Er misst Colin von oben bis unten. Verzieht das Gesicht. Ihm gefällt nicht, was er sieht. Natürlich nicht. Colin gefällt sich selbst auch nicht.
    »Helfen Sie mir«, bringt er hervor.
    Vielleicht ist Colins Stimme zu leise. Oder der Mann hat was an den Ohren. Er sieht plötzlich zu der Kaffeemaschine. Die entlockt ihm ein Lächeln.
    Der Mann sagt: »Ich putze hier nur.«
    Als eine elektrische Entladung Colin umwirft, unterbindet das Zusammentreffen von Stirn und Keramikfliesen jegliche Empörung und Wut.
    Jemand wirft Colin in die Ecke seiner Zelle. Er schmeckt Flüssigkeit. Honig. Oder Senf. Vielleicht Blut. Colin weiß es nicht genau.
    Als er wieder in der Lage ist, scharf zu sehen, wundert er sich, denn Zweieinhalb trainiert offenbar die ganze Zeit Dauer-Handstand. Colin respektiert ihn für diese sportliche Leistung, er selbst hat nicht einmal seine Blase unter Kontrolle. Er macht sich nass.
    Als die warme Flüssigkeit über seinen Oberkörper fließt, wird ihm langsam klar, dass er kopfüber in der Ecke liegt. Dennoch dauert es ungezählte Hammerschläge von innen gegen sein Gehirn, bis Colin es schafft, sich wenigstens auf die Seite zu wälzen.
    Sein Puls rast, und zu seinem großen Bedauern verliert er nicht das Bewusstsein. Er muss sich ablenken. Irgendwie. Er sieht Zweieinhalb an. Dem scheint langweilig zu sein. Also beschließt Colin, ihm eine Geschichte zu erzählen.
    Die ersten Sätze lallt er nur, aber Zweieinhalb behält sein stoisches Lächeln bei, sicher versteht er trotzdem alles. Jedenfalls bittet er nie darum, Colin möge einen Satz wiederholen.
    Also lallt er einfach weiter …
        
     

Heidelberg, sizilianischer Herbst
     
    Als Colin 17 war, fand er seine Mutter eines Abends am Küchentisch vor, wie sie Papiere sortierte. Sie schob alte und neue Unterlagen hin und her, aber das Ergebnis schien sie nicht zufriedenzustellen.
    »Ärger mit Ämtern?«, fragte Colin fürsorglich und stellte sich daneben.
    »Das ist nichts Neues«, seufzte Mama. »Die Arbeitsagentur hat schon lange die Zahlungen zusammengestrichen, weil ich mir nicht konsequent genug einen Job suche. Und hier …« Sie hob einen Brief hoch. »… das Landesamt zum Schutz der Familie verlangt eine Rückzahlung, weil ich dich alleine erziehe.«
    »Können die das?«
    Mama lachte humorlos. »Sie tun es einfach. Das Beste ist, dass ich überhaupt nicht weiß, was das für Zahlungen sein sollen, die sie zurückfordern.«
    »Und jetzt?« Colin sah traurig den unfertigen Pizzateig an, der auf der Arbeitsplatte wartete. »Suchst du dir einen Job?«
    »Wenn ich mehr Kraft hätte,

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