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SchrottT (German Edition)

SchrottT (German Edition)

Titel: SchrottT (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Post
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überlegte, ob sein zukünftiger Stiefvater diese Frage beantworten oder ignorieren würde. Ob Mama wissen wollte, welchen Fehler sie nicht auch machen durfte? Oder ob sie damit aus der Sache irgendwie rauskam?
    Länglich blieb stehen und baute sich vor Mama auf. »Weißt du, Emma«, begann er, »ich habe nachgedacht. Ich glaube, dass die Beziehung zwischen einem Mann und einer Frau möglichst einfach sein soll. Je komplizierter sie wird, umso anstrengender wird alles. Und das Leben ist schon schwierig genug, oder nicht?«
    Er sah Colin an, der automatisch erst nickte, dann aber damit aufhörte und beschloss, dass etwas mehr Trotz nicht schaden konnte.
    »Wenn ich von Schwierigkeiten rede, dann meine ich vor allem Entscheidungen. Zweifellos müssen sehr oft Entscheidungen getroffen werden. Man ist gut beraten, diesen Vorgang unkompliziert zu gestalten. Verstehst du, was ich meine?«
    »Nein«, gab Mama zu.
    »Sehr gut«, lachte Länglich. »Genau darum geht’s. Der Mann trifft die Entscheidungen, und die Frau stellt keine Fragen. Selbst wenn sie mal eine Entscheidung nicht versteht. Diese Vorgehensweise macht das ganze Leben sehr leicht.« Dann zog er Mama zu sich und gab ihr einen sparsamen Kuss auf den Mund. »Wirst schon sehen.«
    Colin ahnte den Grund für die Trennung Länglichs von seiner Exfrau. Sie hatte den Fehler begangen, ihre Intelligenz nicht zu verbergen. Vielleicht hatte sie ihrem Mann sogar widersprochen. Ihrem Mann? Ihrem Herrn . Etwas in Colin sträubte sich gegen diese Sichtweise, aber er redete sich ein, dass das an seiner Erziehung aus der Zeit vor der Privatisierung lag. Er musste sich an die neue Zeit anpassen. Alles andere wäre … kompliziert. Und wenn man vor der Frage stand, ob man ein einfaches Leben einem komplizierten vorzog, antwortete man …
    »Ja.« Mama lächelte tapfer. Nahm Colin bei der Hand. Und küsste Signore Länglich lange und feucht auf den Mund.
    Dass sie dabei nicht einmal zitterte, nötigte Colin großen Respekt ab.
    »Um deine Frage zu beantworten«, sagte Länglich und zeigte nach unten.
    Colin starrte hinab auf den Grabstein. »Annette Länglich, geb. Stiefer, * 1994, † 2024. Zu schlau für diese Welt«, lautete die Inschrift.
    »Zeit für den Leichenschmaus«, verkündete Papa.
      
    Als Colin von seinem ersten Arbeitstag nach Hause kam, fiel er platt aufs Bett. Nur mit Glück verfehlte er dabei die halb gepackten Umzugskartons. Mama kam hinter ihm durch die Tür.
    »War anstrengend, was?«
    »Ich bin sooo im Arsch«, brummte Colin in die Matratze. »Und nachher hab ich gleich meine erste Nachtschicht.«
    »Mit was für einer anstrengenden Arbeit hat Dennis dich betraut?« Mama fing vollautomatisch an, ein paar herumliegende Klamotten einzusammeln und in Umzugskartons zu stopfen.
    Colin wälzte sich auf die Seite und sah ihr zu. »Ich war Agent.«
    »Agent?« Mama hielt inne, dann fuhr sie fort, Schmutzwäsche von sauberer zu trennen.
    »Observation«, erklärte Colin einsilbig. Jetzt, wo er drauf und dran war, seine Tätigkeit zu erklären, kam sie ihm nicht besonders anstrengend vor. Eher … ermüdend. Ja, das Wort traf es. »Ich hatte vier Bildschirme zu überwachen.«
    »Aha, Kameraüberwachung. Dennis … ich meine, Papa … ach …« Mama knetete ihre Nasenwurzel mit Daumen und Zeigefinger. »Er spricht mit mir nicht über die Arbeit, aber dass seine Firma einen Teil der Stadt per Video überwacht, steht auf der Firmenwebsite. Sie haben sogar Drohnen, glaube ich. Vielleicht darfst du mal eine fliegen. Welchen Teil der Stadt hast du denn so fleißig überwacht?«
    Colin verzog das Gesicht. »Keinen«, sagte er und beschloss, es dabei zu belassen. Allerdings kannte er die Hartnäckigkeit seiner Mutter gut genug, um zu wissen, dass das nicht funktionieren würde.
    »Keinen? Also …« Mama wedelte mit den Händen. »… Personenüberwachung? Oder … Gebäude?«
    »Ja«, sagte Colin. »Im Grunde sogar beides. War echt anstrengend.« Dann kam ihm der rettende Gedanke. »Ich musste so eine Erklärung unterschreiben, weißt du?«
    »Klar«, sagte Mama und knetete sich den Rücken, »Verschwiegenheit ist wichtig in dem Beruf. Alles eine Frage des Vertrauens. Vertrauen ist das Fundament, weißt du?«
    »Das Fundament, in dem die Leichen einbetoniert werden?«
    »Ach Colin …« Mama schloss die Augen. »Weißt du was? Da du ja so erschöpft bist, räume ich hier deine Sachen in die Kartons und du holst unterdessen Pizza bei Signore Massimo an der Ecke. Zur

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