Schsch!
bitte als eins von Daphnes Pferden zurückkommen möchte«, sagte Maggie grinsend. »Denen geht’s verdammt gut.« Sie holte das Pony aus seiner Box und führte es zu Angel.
Daphne kraulte die Stute hinter den Ohren. »Sie heißt Sissy.«
Angels Kinn fuhr ruckartig hoch, und das Mädchen riss die Augen auf. Angstvoll. Wieder diese Verzweiflung, als wollte es so dringend sprechen.
»Vielleicht heißt sie ja in Wirklichkeit Sissy«, murmelte Daphne. Sie ging in die Hocke, um dem Kind ins Gesicht zu sehen. »Meine Pferde bekommen immer die Namen von Schauspielern, die einmal die goldene Statue gewonnen haben – den Oscar. Ich habe eine Gracie, eine Ingrid und eine Claudette. Alles große Pferde. Sissy ist unser einziges Pony.«
Maggie hatte zwei Kardätschen in der Hand, gab Angel eine und begann, das Pferd zu bürsten.
»Du kannst sie streicheln«, sagte Daphne. »Sie beißt nicht. Du kannst sie auch bürsten, wenn du magst.« Sie nahm Angels verbundene Hand und zeigte ihr, wie sie die Kardätsche halten konnte, ohne dass es ihr weh tat. »Du kannst Sissy alles sagen. Sie verrät nichts.«
Daphne trat einen Schritt zurück und hielt den Atem an. Angel verharrte zunächst, begann dann jedoch, die Bürste langsam über das Ponyfell zu streichen. Einen Moment später kullerten die ersten Tränen über Angels Wangen. Daphne wollte sich in Bewegung setzen, aber Maggie räusperte sich.
»Daphne, Heidi, wie wär’s, wenn ihr beide einen Moment lang ins Büro geht?«, sagte sie ruhig. »Das hier kann man nicht beschleunigen. Lasst der Kleinen Zeit. Lasst sie weinen.«
Heidi und Daphne zogen sich gehorsam zurück, blieben aber in der Tür stehen und sahen zu. Daphne seufzte. »Ich habe Monate gebraucht, um überhaupt wieder zu reden, und die ganze Wahrheit habe ich nie gesagt. Dazu hatte ich zu große Angst. Maggie war unglaublich geduldig. Manchmal kamen wir her und striegelten stundenlang, ohne auch nur ein einziges Wort miteinander zu reden.«
»Ich habe neulich noch etwas über Pferdetherapie gelesen«, sagte Heidi. »Eigentlich kommt es einem sehr simpel vor.«
»Das ist es auch. Und natürlich hilft diese Art von Therapie nicht jedem. Mir schon.«
»Ich habe eine ganze Aktenschrankschublade voll mit Kindern, bei denen so etwas hilfreich sein könnte.«
Etwas in Daphne regte sich. »Es gibt in der Stadt doch sicher qualifizierte Programme.«
Heidi schnitt eine Grimasse. »Ja, schon. Aber dort gibt es auch Wartelisten, und das hat für mich wenig Sinn. Bis endlich etwas frei wird, sind die Kinder entweder in einer Pflegefamilie untergebracht oder wieder zu Hause.«
»Verzeihung – hallo?«
Eine große, hochschwangere Frau mit einem langen, blonden Zopf öffnete die Stalltür.
In Daphnes Eingeweiden flatterte es. Dr. Sophie Johannsen war angekommen.
Und bringt mir die Gitarre meines Dads.
Das flattrige Gefühl verstärkte sich, ihr Herz schlug schneller. Vielleicht hatte es ja gar nichts mit der Hütte in den Bergen zu tun. Vielleicht war sie einfach noch nicht bereit, sich mit den Dingen ihres Vaters auseinanderzusetzen.
»Haben Sie Besuch erwartet?«, fragte Heidi verunsichert.
»Ja«, sagte Daphne. »Ich bin gleich wieder da.« Sie begegnete Sophie auf halber Strecke und hielt ihr die Hand entgegen. »Dr. Johannsen. Willkommen.«
Sophie schüttelte ihr die Hand. »Bitte nennen Sie mich Sophie. Ich hoffe, es macht Ihnen nichts aus, dass ich einfach so hereinschneie. Ich wollte Sie nur kennenlernen, bevor ich nach Hause fahre.« Sie spreizte die Finger über ihrem mächtigen Bauch und lachte. »Mein Mann lässt mich demnächst bestimmt nicht mehr weg.«
»Wir sind Ihnen sehr dankbar, dass Sie uns mit dem Gräberfeld oben an der Hütte geholfen haben.«
»Ich war froh, helfen zu dürfen. Ich habe von der Polizei und den Bundesagenten, die dort mit mir gearbeitet haben, so viel von Ihnen gehört. Jeder lobt Sie in höchsten Tönen, und ein paar Leute aus dem Ort haben mich gebeten, Sie zu grüßen. ›Wenn Sie die kleine Daphne treffen, dann sagen Sie ihr doch, wie froh wir sind, dass es ihr prima geht‹«, zitierte sie mit sehr authentisch klingendem Akzent.
Daphne lächelte. »Nicht schlecht. Sie klingen wie eine Einheimische.«
Sophie zuckte die Achseln. »Mich in Sprachen und Akzente einzufühlen, fällt mir leicht. Jedenfalls habe ich den Leuten versprochen, die Nachricht an Sie weiterzuleiten, was ich hiermit tue. Ich weiß nicht, ob Ihnen klar ist, wie wichtig es für die Ortsbewohner
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