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Schüchternheit der Pflaume

Schüchternheit der Pflaume

Titel: Schüchternheit der Pflaume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F Kanzler
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werden, natürlich lasse ich die Details. Das Geheimnis liegt anderswo. Selbst wenn ich dir alles erzählte, wirklich alles, was mir einfällt, würde doch immer ein Rest bleiben. Der Teil meiner Geschichte, der nicht Teil deiner Geschichte ist, soviel ich auch erzähle. Mit diesem Rest wirst du leben müssen. Es gibt Geheimnisse, die man nicht in Bäume flüstern kann.
    Wir sind kein Topf, kein Deckel, kein Yin, kein Yang, kein Puzzlespiel zum Zusammenstecken. Aber du kannst mein Berg sein, mein Baum, wenn du willst. Es würde mir gefallen. Dir etwas zu verschweigen fiele mir im Traum nicht ein. Dir zuliebe irgendetwas nicht zu tun fiele mir aber genauso wenig ein. Dass ich dir wehtun würde, war eine Frage der Zeit. Ich rechne dir hoch an, dass du damit gerechnet hast.
    Ich erzähle dir also die Geschichte vom uniformierten Großstadtsöldner und mir. Ich fasse meinen gestrigen Besuch bei ihm in ein paar erstaunlich sachliche Sätze. Ich erwarte, dass sich deine Wirbelsäule versteift, dass du weggehst, dass mir schlecht wird. Dass du aufstehst, dass die Pferdenüstern schnauben, dass eine Tür zuschlägt. Aber als sich deine Erstarrung in ein trauriges Prinzenlächeln auflöst, weiß ich, dass nichts von alldem geschehen wird. Du bist der lebende Beweis, dass wir keine Seifenoper sind, eher wie meine Lieblingsfilme, denke ich, unheimlich und schön und auf eine leise Art brutal.
    Als du beginnst, mich zu streicheln, mich zu fingern, spüre ich das Schwanken. Das Bett ist ein Floß aus Flanell und legt langsam ab. Ich schließe die Augen. Schilf und Bettzeug rascheln, kleine Tiere züngeln durchs Wasser. Ich halte dich fest, will sicher sein, dass du auf demselben Floß treibst. Draußen beginnen sich mächtige Wolken vor die Sonne zu schieben. Es wird schneller dunkel als sonst. Irgendwo schleicht schon die Göttin herum, denke ich, die Mondgöttin, Pfeile und Bogen gezückt. Auf ihren Schultern sitzen Vögel. Isabellfarbene Bäuche reiben sich an ihrer Haut. Es sind Wendehälse, ihre fedrigen Begleiter, mit kurzen Schnäbeln und klaren Augen. Sie spreizen ihre Fächerschwänze, würgen ihre Gewölle, kurzlebige und untreue Tiere, Mondvögel, die gerade eine Hand füllen.
    Auf einmal klatscht der Regen herab. Dazwischen grollt Donner, Hochsommerdonner, denke ich.

Wetterlinge
    Wenn die Oberflächenspannung meinem Aufwärts nachgibt, sprengt das Wasser in alle Richtungen. Für einen Augenblick ist der Sonnenschein ganz mit dem sprühenden Wasser vermischt. Alles birst, alles fliegt, alles glänzt. Es wird taghell in meinen Augen, selbst wenn ich sie fest geschlossen halte.
    Ob ein Orgasmus tiefe Einigkeit zweier Körper ist oder ein doppeltes Alleinsein, frage ich mich später. Ob ich dir in dem Moment ungeheuer nah war oder dich längst verloren hatte. Irgendwann waren wir vom Floß geglitten. Hatten Kissen und Decken mit ins Wasser gezerrt. Dein roter Teppich war das Moor, dessen Torftümpel uns aufnahmen wie gierige Münder.
    An den folgenden Tagen regnet es. Ich komme jeden Nachmittag mit nassen Haaren ins Studio. Manchmal kommt abends für drei oder vier Stunden eine brütende Sonne zum Vorschein, bevor es in der Nacht wieder weitergewittert, ein einziges Gewitter, das nicht mehr aufhören will. Ich arbeite mit Borg und dem Bassmann an neuen Liedern. Ich beginne, an den Song für Saskia zu denken. Alle paar Tage ruft Blaum an, manchmal sage ich ja, manchmal nein. Er füttert mich durch die teuersten Restaurants der Stadt, ich zeige ihm die besten Clubs. Er tanzt erstaunlich gut, auf der Tanzfläche legt er seine Bulligkeit ab und spielt den Haifisch, der er sein möchte. Er schert sich seinen Kopf kahl, damit man die Geheimratsecken nicht sieht, und kauft neue Hemden. Er mag dieselbe Musik wie ich. Wie du.
    Matti liegt mit Sommergrippe zwei Wochen lang im Bett. Ich bringe ihm Zeitschriften und Filme. Lora findet Anstellung in einer Anwaltskanzlei, regelt nun Nachbarschaftsstreitigkeiten und Zwangsvollstreckungen. Sie trägt ihren Lederarsch nur noch am Wochenende. Lutz fischt täglich ein halbes Dutzend Babyguppys aus unserem Aquarium und trägt sie in die Zoohandlung.
    Du und ich, wir gehen alle paar Tage Kaffee trinken oder Eis essen. Wir haben genug vom Blauen Engel, wollen Geschmack statt Farbe, du nimmst Schokolade und Malaga, ich Vanille und Wiener Mandel. In den ersten Tagen reden wir wenig, treiben es miteinander, wann immer wir allein sind. Am fünften oder sechsten Tag, bei einem späten Frühstück,

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