Schuld: Drama (bis Mitte Juni 2013 kostenlos)
eine zu paffen.
Ich nehme den Lift bis ins Parkhausgeschoss, bleibe wie ein Idiot vor der offenen Lifttür stehen und frage mich wie jedes Mal, wann ich endlich begreifen werde, dass ich mein Auto schon vor fast einem Jahr, kurz nach der Scheidung abgeben musste. Wer in einem Privatkonkurs steckt, hat kein Recht auf ein geleastes Fahrzeug, ganz egal wie lange er es schon lückenlos bezahlt hat.
Auf dem Weg zur Bushaltestelle versuche ich wie immer, nicht an Emilia, meine Exfrau zu denken. Und wie immer scheitert mein Versuch kläglich. Während der Arbeit kann ich mich ablenken, die Vergangenheit verdrängen. Doch wenn ich mit meinen Gedanken alleine bin, bin ich ihr ausgeliefert.
Vielleicht liegt es nur daran, dass ich völlig übermüdet bin, vielleicht ist es auch die Tageszeit, das fahle Morgenlicht am Himmel oder das Waldstück, das an mir vorbeizieht, das mich an sie denken lässt. Wo ich auch hinblicke, sehe ich nur sie. Diesen Weg sind wir morgens vor der Arbeit immer gegangen, als wir noch zusammen waren.
Ich frage mich, wie ihr neues Leben aussieht, wie es sich verändert hat seit der Scheidung. Sie hatte kurz nach Amys drittem Geburtstag die Scheidung verlangt, mit der Begründung, dass ich eher mit meiner Arbeit als mit ihr verheiratet sei. Dass sie sich in einen Freund aus Unizeiten verliebt hatte, verschwieg sie mir damals. Das einzige, was ich von ihr höre, sind die kurzen Telefongespräche, wenn sie Amy bei sich haben will. Wir haben geteiltes Sorgerecht, doch eigentlich ist Amy so gut wie immer bei mir.
Meine Gedankenströme lassen mich ganz langsam vergessen, was ich gerade tue, doch ein aufmerksamer Autofahrer erinnert mich mit einem hysterischen Hupen an meine Existenz. Ich stehe wieder auf der Mitte der Straße, ohne es auch nur im Geringsten realisiert zu haben. Wenn ich nur wüsste, wie ich diese bescheuerte Angewohnheit loswerden könnte…
Ich ziehe ein paarmal tief an meiner Zigarette, bis ich merke, wie grässlich sie schmeckt. Schließlich werfe ich sie auf den Boden und trete sie aus.
Kapitel 3
Obwohl ich keine Lust zum Stehen habe, überlasse ich die zwei Sitzplätze an der Bushaltestelle einer alten Dame und einem nervös mit dem Fuß auf den Boden stampfenden Schuljungen. Die Frau scheint irgendwie zu lächeln, aber eigentlich sieht sie traurig aus. Ich lehne mich neben dem Fahrplan an die Plexiglaswand und versuche, mich nicht wegen dem immer hektischer werdenden Gezappel des Jungen aufzuregen, was mir dank der kurzen Nacht alles andere als leicht fällt.
Irgendwann kann ich mir den Kommentar dann doch nicht mehr verkneifen und sage genervt: „Sag deinen Eltern, sie sollen dir ein Schlagzeug und eine Kiste Ritalin besorgen!“
Eigentlich ist es nicht meine Art, solche Gedanken laut auszusprechen, aber in letzter Zeit ist ohnehin nichts wie es sein sollte.
Die ältere Frau schaut mich leicht verwirrt an, während der Junge unbeirrt weiter versucht, den Boden zu Mus zu treten. In diesem Moment spüre ich ein Vibrieren in meiner Hosentasche. Ich ziehe das technisch längst überholte Handy heraus und starre auf das kleine grüne Display.
Der digitale Schriftzug Emilia ruft an blinkt in regelmäßigen Abständen von einem kurzen Vibrieren begleitet auf. Das heißt dann wohl wieder mal ein Wochenende ohne die Kleine, denke ich mir und nehme denn Anruf mit einem kurzen, bewusst monotonen „Hallo“ ab.
„Hey. Alles klar?“, fragt mich die helle, vertraute Stimme meiner Exfrau und fährt, ohne die Antwort abzuwarten, fort: „Ich hole sie morgen um Zehn ab, ok?“.
Schon merkwürdig, dieses „Ok?“. Als ob ich irgendeine Wahl hätte oder es sie auch nur im Geringsten interessierten würde, wenn meine Antwort kein „Ja, sicher“ wäre.
„Mhm.“, antworte ich kurzangebunden. Beklemmtes Schweigen. Dann wieder ihre Stimme: „Alles in Ordnung?“. Dieses Mal glaube ich tatsächlich eine Spur Interesse herauszuhören.
Ich könnte ihr jetzt alles erzählen, was mir auf dem Herzen liegt, ihr sagen, dass unsere Scheidung ein einziger großer Fehler war, dass ich sie vermisse, sie noch immer über alles liebe. Doch ich bringe nicht mehr als ein „Ja“, heraus. Ich bin mir nicht sicher, ob sie merkt, dass ich lüge und es ihr einfach egal ist, oder ob sie schon so abgestumpft ist, dass sie es tatsächlich nicht realisiert, doch alles was sie mir darauf zu sagen hat ist: „Gut. Dann bis morgen.“
Ich lege auf und starre noch einen Moment geistesabwesend
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