Schuld währt ewig
ob das eine gute Idee war. Seine Kollegen wussten zwar, dass er einen Sohn hatte, doch zu sehen bekommen hatten sie ihn noch nicht. Genauso wenig Evi.
Er hatte ihr versprochen, einen Blick in die neue Wohnung zu werfen. Sicherlich war dort vor dem Umzug einiges zu tun. Heute Nacht konnten die beiden bei ihm schlafen. Simon in dem kleinen Zimmer, das Alois eigens für ihn eingerichtet hatte, wenn er mal bei ihm war, und Evi konnte seinetwegen das Bett haben. Er schlief auch auf dem Sofa gut.
»Was darf es denn sein?« Die Bedienung sah in die Runde. Tino bestellte Rotwein und das Lammcarré, Gina nahm den gebratenen Lachs und ein Glas Pinot Grigio. Alois hatte Lust auf ein Bier und dazu das Entrecote. Und Meo fragte, ob es denn Pommes gäbe. Gab es nicht. Er bestellte Kartoffelgratin und Steak.
»Wie war eigentlich die Pressekonferenz?«, fragte Gina.
»Weiß nicht.« Tino zog die Schultern hoch. »Ich hatte zu tun.«
Beide sahen Alois an. »Ich auch. PK s, damit könnt ihr mich jagen.« Alois war froh, dass er nicht mit dabei gewesen war. Er hasste diesen Auftrieb, diese Wichtigtuerei. Klar, sie hatten gute Arbeit geleistet. Das war ihr Job. Aber sich aufplusternd vor den Journalisten aufzubauen, bei denen man eh nie sicher sein konnte, ob sie das alles nicht anders sahen als die Polizei, also vor denen die tollen Ermittler raushängen zu lassen, das war nicht so sein Ding.
Mit Sicherheit war Tinos Schuss Thema gewesen. Nothilfe. Schon wieder. Ballerten die Münchner Bullen nur noch rum? Konnten sie es nicht anders?
Ein Highlight war dieser Schuss nicht gewesen. Das ließ sich nicht leugnen. Unwillkürlich musste Alois schmunzeln. Wenn er geschossen hätte, dann läge Ulrike Rodewald jetzt auf einem der Stahltische der Weidenbach im Institut für Rechtsmedizin.
Das Schmunzeln verschwand. Gut, dass er nicht auf dem Dach gewesen war. Gut, dass er nicht hatte schießen müssen. Helmbichlers ungläubiger Blick, den würde er sein Leben lang nicht vergessen. Ein Menschenleben ausgelöscht zu haben … Er reckte sich. Es war Nothilfe gewesen. Er hatte nicht anders handeln können. Und trotzdem spürte er, dass irgendwas sich änderte. Tief in ihm drinnen geschah etwas, das sich seiner Kontrolle entzog. Und das machte ihm ein wenig Angst.
Die Bedienung brachte die Getränke. Sie stießen an.
Natürlich drehte sich das Gespräch in null Komma nichts um den Fall. Buchholz und sein Team waren noch mit der Wohnung beschäftigt und sicherten Beweismittel. Ab Montag würden sie alles abarbeiten und alles fein säuberlich aufdröseln. Und wenn das erledigt war, hatte Tino ein Weißwurstfrühstück für die ganze Soko angekündigt. Tino und Weißwürscht. Alois musste grinsen. Das war beinahe so, als ob er Espresso trinken würde statt grünen Tee.
Gina schob sich eine Haarsträhne hinters Ohr. »Was ich mich schon die ganze Zeit frage: Wie ist Ulrike eigentlich an das Handy von Frau Freude gelangt?«
Tino stellte das Glas ab. »Sie arbeitet mit Languth beim KIT . Vielleicht hat sie ihn am Arbeitsplatz besucht und dabei eine offene Wohnungstür entdeckt.«
Sie stießen an, und dann drehte sich das Gespräch weiter um den Fall. Irgendwann ging die Tür auf, kalte Luft schwappte herein. Alois blickte auf. Evi war da. Und Simon. Suchend sah er sich um und lief zum Tisch, als er Alois entdeckte.
»Papa! Papa!«
Alois schob den Stuhl zurück und stand auf. Gina guckte, und auch Tino. Sie wussten doch, dass er einen Sohn hatte.
Simon schmiss sich an ihn ran. »Morgen gehen wir ins Museum. Hat die Mama gesagt. Kommst du mit?«
»Na klar. Was gucken wir uns denn an?«
»Flugzeuge natürlich. Weil ich will nämlich Pilot werden.«
»Ah. Pilot. Nicht mehr Polizist?«
Die Stirn des Jungen runzelte sich nachdenklich. Dann erschien ein Lachen und entblößte eine Zahnlücke. »Erst Polizist, dann Pilot. Is’ doch okay.«
»Das ist also deiner?« Gina sah ihn an.
»Klar. Und das ist Evi.« Sie sah gut aus. Wie immer. Auch wenn sie so etwas Unglamourös-Bodenständiges an sich hatte. »Und das sind meine Kollegen Gina und Meo, und das ist der Tino, mein Chef.«
Tino stand auf und reichte Evi die Hand.
»Bist du auch bei der Polizei?«, fragte Simon Gina.
»Meinst du, Frauen können keine Polizisten sein?«
Nachdenklich neigte er den Kopf. »Höchstens vielleicht Polizistinnen.«
Gina lachte.
»Grüß dich, Lois.« Evi umarmte ihn kurz. Eine scheue Berührung. Ein flüchtiger Hauch. Ein Duft, der ihm so vertraut
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