Schuld war nur die Badewanne
auch nichts, wenn man ein bisschen was darüber weiß. Bis dato waren Gärten für mich Rasenflächen gewesen mit Büschen am Rand, ein paar Beeten mittendrin und viel Löwenzahn dazwischen.
Dass wir immer erst dann in eine Stadt kamen, wenn uns der Hunger dorthin trieb, hat uns eine Menge Geld erspart. Beim anschließenden Schaufensterbummel standen wir nämlich jedes Mal vor verschlossenen Türen. Ihre Siesta lassen sich die Italiener nicht nehmen, sie dehnen sie sogar beliebig lange aus. Vor sechzehn Uhr wird kaum ein Laden geöffnet, manchmal sogar noch später, und vor allem Padua scheint im Mittagsdauerschlaf zu liegen. Dafür hätte ich mir die tolle Bluse aber noch abends um zehn kaufen können (o bella Italia, du glückliches Land ohne Ladenschlussgesetz!), nur lagen wir um diese Zeit gewöhnlich schon in unseren Betten. Pflastertreten macht müde!
Nach drei Tagen hatten wir genug Villen besichtigt, genug Gärten durchwandert, und die zauberhafte Landschaft des Veneto kannten wir jetzt auch ein bisschen. Sogar Petrus hatte ein Einsehen gehabt und Sonne geschickt. Ich stieg auf T-Shirt und Bermudas um.
Über Venedig gibt es tonnenweise Literatur, jeder Dichter, der mal dort gewesen ist, hat sich darüber ausgelassen, »Tod in Venedig« ist in der elften Klasse Pflichtlektüre gewesen, »Wenn die Gondeln Trauer tragen« war ein Film, den man angeblich gesehen haben musste, sogar James Bond ist mal durch die Kanäle gebrettert und hat dabei ziemlich viel Kleinholz hinterlassen –
ich
werde also nicht auch noch von den Sehenswürdigkeiten schwafeln.
Venedig betritt man zu Fuß. Reist man mit dem Auto an, dann muss man sein Spielzeug auf einem der riesigen Parkplätze abstellen und kann nur hoffen, dass man es erstens überhaupt wiederfindet und zweitens in demselben Zustand, in dem man es verlassen hat. Beides kann sein, muss aber nicht.
Sodann besteigt man einen der schwimmenden Omnibusse, sofern man nicht das schnellere (und wesentlich teurere) Wassertaxi bevorzugt oder – je nach Hotelkategorie – auf einen eigenen Zubringerdienst zurückgreifen kann. Da Irene der Ansicht gewesen war, zu einem runden Geburtstag und erst recht zu Venedig gehöre auch ein bisschen Luxus, hatte sie uns im bekanntesten und vermutlich auch ältesten Hotel einquartiert, einem ehemaligen Palazzo, direkt an der großen Lagune gelegen. Ein Teil der Prominenz dieses Jahrhunderts hatte hier auch schon genächtigt: Pablo Casals und Hemingway, Gunther Sachs, Maria Callas, die Begum, und angeblich soll in einer der prächtig ausgestatteten Suiten Richard Burton seine Liz verdroschen haben. In Rom gibt es ja ebenfalls ein Hotel, das mit ähnlich pikanten Histörchen aufwarten kann, was mich nicht weiter wundert, denn trotz fortschreitender Emanzipation sind die meisten Italiener immer noch Machos und tolerieren Gleichgesinnte.
Doch die Zeiten haben sich geändert, die Prominenz trifft sich woanders, und selbst renommierte Hotels müssen sich jetzt mit Reisegruppen oder ganz normalen Mittelstandsbürgern zufriedengeben. Die vielen mandeläugigen Damen und Herren, die uns im Lift, in der Lounge und im Waschraum begegneten, gehörten nämlich nicht zum Hofstaat des Tennos, sondern zu einem japanischen Elektronikkonzern. Damit sie nicht den ebenfalls tagenden Autoherstellern in die Quere kamen, trugen alle Abgesandten verschiedenfarbige Sticker auf den Revers ihrer ausnahmslos dunklen Anzüge bzw. Kostüme. Leider habe ich nicht herausbekommen, ob es sich bei diesem Massenauftrieb tatsächlich um geschäftliche Meetings handelte oder ob die jeweiligen Firmenchefs nicht doch für jungverheiratete Mitarbeiter so eine Art Sammel-Flittertage organisiert hatten. Freiwillig nehmen die doch keinen Urlaub, und irgendwie muss sogar ein japanischer Boss seine Leute bei der Stange halten! Die schon etwas älteren Herrschaften werden dann wohl besonders verdiente Angestellte mit einem jahrelangen Feriendefizit gewesen sein. Die fernöstlichen Gäste hatten ihre eigenen Aufenthalts- und Speiseräume, und wenn man ihnen begegnete, schienen sie immer auf dem Weg von oder zu ihrem Rudel zu sein.
Am zweiten Morgen wartete ich im Frühstückszimmer eine halbe Stunde lang auf Irene, rief mehrmals in ihrem Zimmer an, fragte am Empfang nach und sah sie schon gemeuchelt in einem der unzähligen Kanäle schwimmen, als sie endlich auftauchte. »Tut mir leid, aber ich habe mich verlaufen. Als ich schließlich merkte, dass ich bei den Japanern frühstücke,
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