Schuld war nur die Badewanne
Dichter? Bauwerk? Vielleicht so eine Art Kolosseum? Nach ein paar sehr schweigsamen Minuten kam mir doch noch die Erleuchtung! Palladio war ein Mann gewesen, vor etwas mehr als vierhundert Jahren geboren oder auch gestorben, das wusste ich nun wirklich nicht mehr, aber ich konnte mich erinnern, dass man im Jubiläumsjahr ihn und seine Werke in der Presse gewürdigt hatte. Offenbar hatten sie mich nicht sonderlich interessiert, sonst müsste ich jetzt nicht krampfhaft überlegen, worin sie denn bestanden hatten. Hätte er Gemälde hinterlassen oder bedeutende Dichtungen, dann hätten wir ihn schon in der Schule durchgekaut, hatten wir aber nicht. Als Komponist war er mir auch nicht bekannt. Womit, um alles in der Welt, hatte sich Herr Palladio denn sonst einen Namen gemacht? Besser gefragt, wovon hatte ich am wenigsten Ahnung? »Wahrscheinlich liege ich völlig schief«, tastete ich mich vorsichtig an die Sache heran, »aber hatte der nicht im weitesten Sinn was mit Architektur zu tun?«
»Gut geraten«, sagte Irene lachend, denn ihr war mein Zögern natürlich nicht entgangen. »Hier in der Gegend gibt es ein paar ganz bekannte Villen von ihm, die sollten wir uns mal ansehen.«
»Na klar, machen wir!« Villen stehen meistens inmitten von Gärten, und wenn Irene einen sieht, der größer ist als ihr eigener, muss sie rein. Und solange ich nicht in ihnen Unkraut ziehen muss, habe ich gegen schöne Gartenanlagen nichts einzuwenden.
Unser Hotel war groß, gepflegt, angenehm beheizt und eine Spur zu vornehm. Das merkte ich schon, als wir das Foyer betraten und die Gäste elegant gewandet bei ihren Cocktails sitzen sahen. In einer knappen Stunde würde das Abendessen serviert werden.
»Du hättest mir wirklich sagen können, dass ich das kleine Schwarze mitnehmen muss«, sagte ich vorwurfsvoll, während ich in der Tasche nach »Bakschisch« für den Kofferträger fahndete, »meine Garderobe ist mehr auf Freizeit ausgerichtet.«
»Solange du Bügelfalten in der Hose und einen Seidenschal um den Hals hast, bist du salonfähig.« Mit dem Kopf deutete Irene auf zwei Seniorinnen, die ähnlich ausstaffiert waren.
»Trotzdem werde ich mir erst einen Badeanzug anziehen und ein bisschen schwimmen. Seit einem Vierteljahrhundert lebe ich in Schwaben, und da lautet die Devise: Des hemmer zahlt, des müsse mer au ausnütze!«
Wir waren die Einzigen, die sich noch in dem herrlich warmen Wasser tummelten, aus der Halle ins Außenbecken schwammen und die mit Liegestühlen betüpfelte parkähnliche Anlage bewunderten. »Ich glaube, wenn morgen früh die Sonne scheint, kriegst du mich hier nicht weg«, prophezeite ich.
Sie schien noch nicht, aber wenigstens regnete es nicht mehr. Nach dem opulenten Frühstück suchten wir erst mal unser Auto, das vom Wagenmeister in der hintersten Ecke geparkt worden war, wo es das Gesamtbild der aufgereihten Nobelkarossen am wenigsten störte, und dann fuhren wir los zur ersten Palladio-Villa. Im Nachhinein bin ich meiner Freundin dankbar für das Kulturprogramm. Es blieb natürlich nicht bei der einen Villa, wir haben ein halbes Dutzend besucht, doch jede ist sehenswert gewesen – einmal wegen der Säulen, zum anderen wegen der Symmetrie, wobei ich zugeben muss, dass mir zwar die Säulen aufgefallen wären, nicht aber die Harmonie des Ganzen. Begeistert haben mich allerdings die Fresken im Innern der Villen. Was man sonst nur in großen Museen bewundern kann, ziert hier Wände und Decken – Werke von Veronese, Tiepolo, Zelotti und anderen. Palladio muss hervorragende Beziehungen zu den namhaften Künstlern seiner Zeit gehabt haben. Mir hätten Picasso oder Chagall bestimmt nicht mein Schlafzimmer ausgemalt, selbst wenn ich sie hätte bezahlen können, doch ob sie es für einen wohlhabenderen Geschäftsmann wie z.B. Herrn Oetker getan hätten, möchte ich auch bezweifeln. Vor vierhundert Jahren muss so etwas jedoch gebräuchlich gewesen sein, Hauptsache, die Kasse hat gestimmt. Allerdings werden die Honorare damals etwas bescheidener ausgefallen sein als heute, wo manche zeitgenössischen Maler beim Verkauf ihrer monumentalen Werke offenbar einen Quadratmeterpreis zugrunde legen.
Wie üblich hatte sich Irene auf unsere Reise gründlich vorbereitet, und so habe ich eine Menge gelernt. Nicht nur über Architektur, vor allem über Gärten. Ich kann jetzt sogar auf Anhieb einen Renaissance-Garten von einem englischen Garten unterscheiden. Diese Kenntnis ist nicht lebenswichtig, doch es schadet
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