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Schuld war nur die Badewanne

Schuld war nur die Badewanne

Titel: Schuld war nur die Badewanne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evelyn Sanders
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zehn, als wir auf dem Weg zum Hotel erneut den Markusplatz überquerten. Noch immer herrschte reger Betrieb, noch immer waren die meisten Caféhausstühle besetzt, dazwischen traten sich Porträtmaler, Gaukler, fliegende Händler und Straßenmusikanten gegenseitig auf die Füße, und noch immer ließen unzählige Tauben im Flug so einiges fallen, was im ungünstigsten Fall in den Haaren oder sogar im Ausschnitt landet. Mich traf es auf der rechten Schulter.
    »Das musst du gleich mit warmem Wasser auswaschen, sonst hast du eine bleibende Erinnerung an die Colombini di San Marco. Das Zeug ätzt dir unter Umständen ein Loch in die Jacke.«
    »Dann hätte ich wenigstens einen Grund, mir eine neue zu kaufen«, sagte ich sofort, »die hier hat mir nie so richtig gefallen. Vorhin habe ich mich gleich in die dunkelblaue verliebt, du weißt doch, in dem Laden direkt neben dem Juwelier, wo diese hübsche Nadel …«
    Am Ärmel zog mich Irene hinter sich her, bis wir in einem ruhigen Winkel standen. »Jetzt gibst du mir sofort deine Kreditkarte!«, forderte sie kategorisch. »Du sollst dir Venedig
ansehen,
nicht kaufen!«
    Erst war ich verblüfft, dann fing ich an zu lachen. »Du hast ja recht, aber sei doch mal ehrlich zu dir selbst! Hätte ich dich vorhin nicht zurückgehalten, dann würdest du jetzt in einer eleganten Lacktüte diese sündhaft teure Seidenbluse mit dir herumtragen.«
    Weil wir uns nicht einigen konnten, ob wir unser Plastikgeld unter der Matratze deponieren oder – völlig unerreichbar – in den Hotelsafe legen sollten, hatten wir es weiterhin ständig dabei, und nur deshalb bin ich zum Entsetzen der Zwillinge zu Hause schon mit silbernen Lederslippern herumgelaufen, obwohl sie in Deutschland erst im darauf folgenden Jahr zum sommerlichen Modehit wurden.
    Die blaue Jacke habe ich mir auch noch gekauft, und schuld daran war Irenes Geburtstagsgeschenk: eine Anstecknadel in Gestalt einer venezianischen Maske, mit der ich schon tags zuvor geliebäugelt hatte. Auf blauem Hintergrund kam sie am besten zur Wirkung. Weil nun aber die braune Handtasche überhaupt nicht mehr dazu passte und Lederartikel in Italien sowieso billiger sind (ausgenommen in Venedig!), musste ich natürlich die Gelegenheit nutzen. Der Verkäufer war übrigens reizend. Immer wieder lobte er meine exzellenten Sprachkenntnisse, die ich mir vor dreißig Jahren mal angeeignet, seitdem nie wieder gebraucht und zum größten Teil vergessen hatte, na ja, und einen blauen Gürtel hatte ich schon lange haben wollen. Dass das Seidentuch genau die Farbe meiner Augen hatte, musste der nette junge Mann am besten beurteilen können. Als er mich schließlich dorthin führte, wo die Aktenköfferchen – von Büffel bis Krokodil – nebeneinander aufgereiht standen, fühlte ich mich natürlich geschmeichelt; offenbar hielt er mich für eine Karrierefrau, die zwischen zwei Geschäftsterminen mal eben ein bisschen shoppen geht. Hätte Irene mich nicht mit Gewalt aus dem Laden gezerrt, hätte ich mir mit ziemlicher Sicherheit auch noch so ein Statussymbol gekauft, ohne zu wissen, was ich damit eigentlich anfangen soll. – Nur eine Kreditkarte ermöglicht es einem kurzfristig, so zu leben, wie man möchte.
    Der Gondoliere wollte allerdings Bares sehen. Als Irene mir sagte, dass sie für sieben Uhr abends eine Gondel bestellt habe, damit wir meinen Geburtstag würdig beschließen könnten, war ich alles andere als begeistert. Ich finde, dieses Relikt einer vergangenen Epoche passt nicht mehr in unsere Zeit. Es sieht auch ein bisschen seltsam aus, wenn sich so eine Gondel mühsam ihren Weg bahnt zwischen Linienschiffen, Lastkähnen und Motorbooten. Mit einer Gondelfahrt verbindet man Ruhe, Beschaulichkeit, vor allem jedoch Romantik; ich konnte mir nur nicht vorstellen, was daran romantisch sein sollte, den Canale Grande entlangzuschaukeln und den Duft von Dieselöl zu inhalieren.
    »Venedig ohne Gondelfahrt ist wie Paris ohne Eiffelturm«, sagte Irene. »Außerdem ist es jetzt sowieso zu spät. Wir werden vom Hotel abgeholt und fahren auch nicht die übliche Route, sondern dort entlang, wo nicht jeder hinkommt.«
    »Wer behauptet denn das?«
    »Der Gondoliere.«
    Er war auf die Minute pünktlich, sah frisch gewaschen und gebügelt aus, trug sogar den runden Strohhut mit flatterndem Band, auf den schon viele seiner Kollegen verzichteten, und seine Gondel hatte er auch noch ein bisschen saubergemacht. Außer in der Lautstärke, mit der sie auf Kundenfang

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