Schuld war nur die Badewanne
schallend zu lachen anfing, seiner Braut einen flüchtigen Kuss auf die Nase drückte und Arm in Arm mit ihr durch die Tür ins Trauzimmer schritt.
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»Kraft des mir verliehenen Amtes …«
I rgendwie ähneln sich diese Trauzimmer alle. Dominiert werden sie von einem großen Möbel, das trotz auf Hochglanz polierter Oberfläche und Blumenschmuck immer ein bisschen wie Schreibtisch aussieht. Jener Tisch, vor dem ich seinerzeit auf Rolfs Jawort gewartet hatte (weshalb werden eigentlich die Männer immer zuerst gefragt?), war mit dunkelgrünem Leder bezogen und rundherum mit akkurat 94 Messingknöpfen verziert gewesen. Ich weiß das deshalb so genau, weil ich sie immer wieder gezählt hatte: Fünfzehn an der Schmal- und zweiunddreißig an der Längsseite mal zwei ergibt wie viel? Richtig! Man mag daraus ersehen, wie sehr mich die Ansprache des Standesbeamten berührt hatte. Und Rolf erzählte später, der Beamte habe Kuhmist unter der linken Schuhsohle gehabt.
Vor dem Tisch stehen gepolsterte Lehnstühle – mindestens zwei, manchmal auch vier, wenn die Trauzeugen der Zeremonie hautnah beiwohnen sollen. Unsere mussten damals hinten bleiben. An der dem Schreibtisch gegenüberliegenden Wand befinden sich die Zuschauerplätze. Sie bestehen aus harten Stühlen und werden größtenteils von der Verwandtschaft belegt. In der Regel bleiben die meisten Sitzgelegenheiten frei, wenn nämlich die standesamtliche Trauung nur eine unerlässliche Formalität ist und der große Auftrieb erst am nächsten Tag in der Kirche stattfindet. Anders sieht es aus, sobald sich das Brautpaar auf die amtliche Zeremonie beschränkt. Nicht nur die Eltern, auch Onkel, Tanten, Paten und nicht zuletzt die Freunde wollen die entscheidenden Minuten miterleben (und genau aufpassen, ob nicht einer der beiden Ehekandidaten einen Sekundenbruchteil zögert, bevor er seine Freiheit endgültig aufgibt).
Gleich beim Betreten des Trauzimmers war uns klar, dass die Stühle niemals reichen würden. Getreu der Devise »Frauen und Kinder zuerst« durften die weiblichen Anwesenden die elf Plätze unter sich aufteilen, die Übrigen bauten sich daneben und dahinter auf. Margit setzte mir noch schnell Nili auf den Schoß, bevor sie sich neben der Braut niederließ. Schorsch, nervös an seiner Krawatte zupfend, saß bereits neben dem nicht minder nervösen Bräutigam. Nun hatten wir anderen Muße und Gelegenheit, vier Rücken zu betrachten und vier verschiedene Frisuren von hinten zu vergleichen. Margit hatte die längsten Haare und Hannes die wenigsten.
Der Standesbeamte war ein im Dienst ergrauter Staatsdiener kurz vor der Pensionierung. Vielleicht hatte er sich aus diesem Grund keinen neuen schwarzen Dienstanzug mehr zugelegt (oder das Finanzamt hatte eine derartige Anschaffung nicht als steuermindernd anerkannt, weil man dunkle Anzüge ja auch privat tragen kann!) – jedenfalls war das gute Stück schon etwas aus der Mode und darüber hinaus viel zu warm. Schweißperlen glitzerten auf der Stirn des Mannes. »Wir sind hier zusammengekommen«, begann er, »um Helmut Burmeester und Karin Fritsche in den Bund der Ehe zu geben. Dieser Schritt …«
»Das stimmt nicht!«, sagte Hannes sofort.
»Was stimmt nicht?« Irritiert blickte der Mann in die vor ihm liegenden Papiere. »Sie wollen doch heiraten? Oder etwa nicht?«
»Das schon, aber kein Fräulein Fritsche.«
»Wieso? Ich verstehe nicht …«
Jetzt griff Schorsch ein: »Es handelt sich bestimmt nur um eine Verwechslung. Wie viele Hochzeiten haben Sie denn heute?«
»Noch drei«, sagte der Beamte, »aber ich begreife trotzdem nicht … Herr Kuhn!«, brüllte er plötzlich, worauf sich sofort die Tür zum Nebenraum öffnete und der Jüngling von vorhin auf der Schwelle stand. Mit ergebenem Blick hörte er sich an, was sein Vorgesetzter – jetzt nur mehr im Flüsterton – zu sagen hatte, nickte schuldbewusst und meinte: »Das ist nur wegen der vergessenen Trauung passiert. Ich habe mich nach der Uhrzeit gerichtet, und danach ist jetzt das Paar Burmeester/Fritsche dran. Wie heißen Sie denn?«, wandte er sich an Hannes.
Der nannte seinen Namen, worauf Herr Kuhn enteilte und mit einer neuen Akte wiederkam. Er legte sie auf den Tisch und zog sich diskret zurück.
Nun hatte der Standesbeamte offenbar den Faden verloren. Oder vielleicht hatte er ja auch mehrere Ansprachen parat, jedenfalls begann er plötzlich mit der Aufzählung, wie oft jeder Mensch auf seinem Standesamt registriert werde,
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