Schuld war nur die Badewanne
Kartoffelsalat. Das ist Tradition. Nur weiß kein Mensch mehr, woher die eigentlich stammt. Rolf meint, ihr Ursprung sei wohl in jenen Jahren zu suchen, als unser Nachwuchs mehr an dem Inhalt der bunten Teller interessiert gewesen war als an einem Drei-Gänge-Menü und beides hintereinander selbst die Aufnahmekapazität von Teenagermägen überfordert hätte. Ich kann mich auch noch gut an etliche Weihnachtsmorgen erinnern, die speziell bei den Jungs mit Zwieback und Kamillentee begonnen hatten.
Während wir auf den reichlich verwässerten Würstchen herumkauten – die frisch geduschten und trockengefönten Hunde lagen schmollend in einer Ecke –, erklärte Sascha ausführlich, weshalb sie so spät gekommen waren. Demnach hatte er erst den größten Verkehrstrubel abwarten wollen, dann habe jedoch Schneegestöber eingesetzt, außerdem dürfe er mit Vicky als Beifahrerin nie schneller als hundert fahren, und auf den letzten Kilometern Landstraße habe es noch einen Unfall gegeben.
»So’n Heizöl-Ferrari hat mich überholt, aber zwei Kilometer weiter hing er an ’ner Fichte. Der Fahrer hat bloß ein paar Schrammen abgekriegt, nur die Karre ist einen halben Meter kürzer geworden. Autos sollten sich eben nie auf einen Zweikampf mit Bäumen einlassen, die haben die bessere Bodenhaftung«, schloss er mit einem ironischen Seitenblick zu seinem Vater, der auch schon mal versucht hatte, an einer Rotbuche zu bremsen. Allerdings hatte ihn das nur einen neuen Kotflügel gekostet und mich den Wäschetrockner, den ich endlich hätte kriegen sollen und dann doch wieder nicht bekam. Ein ramponiertes Auto fällt eben mehr auf als ungebügelte Hosen, wenn sie nicht rechtzeitig trocken geworden sind!
»Na, du wirst dir wohl auch bald einen Kombi zulegen müssen«, sagte Steffi beiläufig, »in deinen Wagen kriegst du doch keinen Kind … äh, ich meine, der hat doch inzwischen weit über hunderttausend Kilometer drauf, und du hast immer gesagt … äh, wolltest du nicht schon damals einen Kombi haben?«
»Nein, nie!«
Steffi lief dunkelrot an, wir anderen sagten gar nichts, weil wir offiziell nicht wissen durften, was wir inzwischen doch alle wussten, aber schließlich war es Vicky selber, die das ungemütliche Schweigen brach. »Eigentlich wollten wir es euch erst nachher sagen, doch nun ist es egal. Ich bin nämlich schwanger.«
Einem unbeteiligten Zuschauer wäre so viel gekünstelte Überraschung wahrscheinlich aufgefallen, die künftige Mutter sonnte sich jedoch in der allgemeinen Aufmerksamkeit, nahm Glückwünsche entgegen und beantwortete bereitwillig alle Fragen von »Wann ist es denn so weit?« bis zu »Habt ihr schon einen Namen für das Baby?«
»Yannik oder Tabea«, sagte Vicky.
»O Gott«, murmelte Sascha bloß. Mit seiner Rolle als werdender Vater schien er ohnehin noch erhebliche Schwierigkeiten zu haben, denn als Tom ihn ein bisschen auf die Schippe nahm, winkte er sofort ab. »Hör auf mit dem Quatsch, ihr geht mir alle auf den Geist! Und du ganz besonders!«
»Wenn wenigstens was da wäre, wo ich drauf gehen könnte …«
Auch über das Geschenk konnte Sascha nicht lachen, das Steffi als vermeintlich einzige »Eingeweihte« noch in letzter Minute besorgt hatte und nun stolz präsentierte: einen Marienkäfer auf Rädern. Sobald man die Flügel entfernte, kam ein Töpfchen zum Vorschein. »Etwas noch Dussligeres hast du wohl nicht gefunden?«
Steffi war beleidigt, Tom hatte sich achselzuckend abgewandt, Sascha sagte auch nichts mehr – der Abend drohte ein Desaster zu werden. Aber es gab ja noch Mäx und Otto. Nach ihrem »Festtagsmenü für kleine verwöhnte Hunde« – ich war so lange von der Werbung berieselt worden, bis ich tatsächlich zwei Packungen gekauft hatte – hatten sie uns das verhasste Duschen verziehen, eine Runde geschlafen, und nun waren sie im Gegensatz zu uns putzmunter.
»Wer kommt mit auf die Pipi-Runde?« Eine Frage, die normalerweise von jedem Familienmitglied mit dem Hinweis unaufschiebbarer Tätigkeiten mit »Ich nicht! Außerdem ist es ja dein Hund!« beantwortet wird. Diesmal fanden sich aber so viele Freiwillige, dass ich zu Hause bleiben konnte.
»Also gut, die Männer ziehen los, wir anderen räumen mal ein bisschen auf«, schlug ich vor, doch das musste wohl keine so gute Idee gewesen sein. Das Geschirr stand schon wieder im Schrank, die letzten Überreste der Goldfolienschlacht waren beseitigt (ja, ich weiß, inzwischen benutze ich auch recycelbares
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