Schuld war nur die Badewanne
Geschenkpapier, doch vor ein paar Jahren waren glitzernde Verpackungen noch nicht mit einem Tabu behaftet gewesen), sogar die Geschenke hatten wir schon zusammengestellt – nur die Gassigehkolonne war noch nicht wieder aufgetaucht.
»Sind die eingeschneit?« Katja öffnete die Haustür und streckte die Hand hinaus. »Höchstens abgesoffen – es gießt in Strömen. Bei dem Wetter bleibt doch keiner länger draußen, als er muss.«
»Schon gar nicht Otto«, ergänzte Nicki. »Der traut sich ja nicht mal bei dreißig Grad im Schatten in die Nähe vom Rasensprenger.«
»Vielleicht sind sie in einer Kneipe gelandet?«
»Heute? Da hat doch alles zu!«
Eben das war unser Irrtum! Ein Kneipier, erst unlängst von seiner Frau geschieden, hatte seine Wirtschaft offengehalten, vermutlich in der nicht unberechtigten Hoffnung, dass Leidensgenossen und Ehemänner auf der Flucht vor Schwiegermüttern oder sonstigen Verwandten bei ihm Zuflucht suchen würden. Jedenfalls waren unsere Männer, angelockt von der erleuchteten Bierreklame, zwecks äußerlicher Trocknung und innerlicher Erwärmung dort eingekehrt und hängengeblieben. Die Hunde hatten Frikadellen bekommen und waren selig eingeschlafen, den Herren der Schöpfung war es nach dem vierten Grog so ähnlich ergangen. Schließlich hatten sie sich doch noch für den Rückweg entschieden und standen nun tropfnass vor der Tür.
Eine Übernachtung sämtlicher Gäste war eigentlich nicht vorgesehen gewesen. Genaugenommen sollten nur Sascha und Vicky bei uns schlafen, alle anderen hatten nach Hause fahren wollen, doch beim Anblick der Jammergestalten war das kein Thema mehr. Und wozu gibt es Luftmatratzen, Schlafsäcke und diese platzsparenden, weil zusammenklappbaren Gästebetten, die man allerdings nur solchen Gästen zumuten sollte, die man nie wiedersehen möchte? Egal, Improvisation ist alles. Die klatschnassen Mäntel kamen in den Heizungskeller, alle verfügbaren Kissen und Decken wurden zusammengetragen, das Wohnzimmer zum Feldlager für die männlichen Schläfer ernannt, die weiblichen verteilten sich in den oberen Stockwerken – nur die Hunde waren etwas frustriert. Ihren angestammten Platz auf dem Sofa hatte Tom belegt, und bei seinen 1 , 97 Meter Gesamtlänge hatten sie keine Chance mehr.
»Ich kann mir nicht helfen«, sagte Steffi später, den Mund schon voll Zahnpasta, »aber früher ist Weihnachten irgendwie gemütlicher gewesen.«
Zwei Wochen danach rief mich Sascha an. Wir plauderten über dies und das und hatten uns schon verabschiedet, als ihm noch etwas einfiel: »Ach ja, ehe ich es vergesse: Den versprochenen Kinderwagen brauchst du vorläufig nicht zu kaufen. Vicky ist gestern beim Arzt gewesen. Die Schwangerschaft war bloß eine Hormonstörung.«
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Westöstlicher Briefwechsel und seine Folgen
S eitdem der antifaschistische Schutzwall, wie diese Mauer quer durch Deutschland von ihren Erbauern bezeichnet wurde, demontiert worden ist, bekomme ich auch Leserbriefe aus der ehemaligen DDR . Der allererste kam von einer Dame aus Wandlitz.
»Wo is’n das überhaupt?«, wollte Steffi wissen, deren Geografiekenntnisse der östlich gelegenen Länder sich seinerzeit noch auf Städte wie Moskau, Warschau oder allenfalls Leipzig beschränkt hatten.
So ganz genau wusste ich das aber auch nicht. Also Atlas her! Der stammte noch aus der Mauerzeit und wies eine offenbar recht dünn besiedelte DDR aus. Wandlitz war nicht drauf.
»Jetzt erst recht!« Steffi klappte den Atlas zu und empfahl mir den baldigen Ankauf eines neuen. Bei den ständig wechselnden politischen Gegebenheiten könne man zwar nicht immer auf dem Laufenden sein, doch dass es jenseits der Elbe auch noch Städte mit deutschen Namen gebe, habe sich ja inzwischen herumgesprochen. Nur von Wandlitz hatte sie noch nichts gehört. »Im Wagen habe ich einen nagelneuen Autoatlas, erst vorige Woche gekauft.« Sie trabte ab, und wenig später saßen wir, ich mit Brille, sie mit Lupe bewaffnet, am Tisch und suchten Wandlitz. Wir fanden es in der Nähe von Berlin.
»Na ja, wenn man so dicht dran wohnt, kommt man sicher auch mal in eine Westberliner Buchhandlung, oder woher sonst soll dein neuer Ossi-Fan deine Bücher kennen?«
»Vielleicht deshalb, weil man sie jetzt auch in den Neubuläs kaufen kann.«
»In – was???«
»In den NEUen BUndesLÄndern!«
Steffi kicherte. »Stammt diese Wortschöpfung von dir?«
»Was soll man denn sonst sagen? Ehemalige DDR ist viel zu lang, und Ossiland
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